Kleider machen Juden. Kleidung, Mode und Textilproduktion in der jüdischen Kultur vom Mittelalter bis zur Gegenwart


Call for Papers zur 32. Internationalen Sommerakademie des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs, Wien, 5.-7.Juli 2023

Kleidung ist seit jeher ein semantischer Code, der gelesen und entschlüsselt werden kann. Sie erlaubt unmittelbar eine soziale Kategorisierung, die sich stets zwischen Freiheit und Zwang bewegt. Vor allem in der Vormoderne war diese – als göttlich verstandene – Ordnung augenscheinlich und konstituierte ein Ordnungssystem, das soziale Grenzen festsetzte und sich im Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis der Obrigkeit nach Kontrolle, der Gesellschaft nach Ordnung und Abgrenzung und der Gruppe und des Individuums nach Selbstdarstellung und Identität befand. Auch in der Moderne und Gegenwart ist Kleidung eine Projektionsfläche, die – abgesehen von freiwilliger und unfreiwilliger Uniformierung – zunehmend Ausdruck eigener Individualität und selbstbestimmter Gruppenzugehörigkeit ist, die es darzustellen gilt. Bei Minderheiten und anderen marginalisierten Gruppen wie Jüdinnen und Juden gilt dies in besonderem Maße, da es hier auch ganz zentral um Sichtbarkeit geht, die von außen bestimmt (von Judenfleck bis Judenstern) oder von der Gruppe gewählt (wie Tallit und Shtreimel) sein kann. Kleidung unterliegt Moden und ist damit Teil eines dynamischen Systems, bei dem aber nicht nur interne Kriterien variabel sind, sondern auch hierarchische Ebenen durchbrochen werden können, wie es z. B. an den Darstellungen des Judenhuts sichtbar wird.

Kleidung bietet auch die Möglichkeit für bewusste Abgrenzung, wobei die Tora abgesehen von der Herstellung nur sehr wenige einschränkende Vorschriften enthält. Der größte Teil jüdisch religiöser Kleidung entwickelte sich im Mittelalter und wurde seitdem tradiert, wobei klar zwischen einzelnen Regionen und auch Strömungen im Judentum unterschieden werden kann und muss. Dabei verlaufen Exklusions- und Identifikationsprozesse teilweise parallel. Unabhängig von dieser Ebene sind sie aber auch Kategorien von Identitäten, die bewusst gezeigt oder versteckt werden können. Die Haskala und die Einführung bürgerlicher Rechte revolutionierten jüdisches Leben und auch Kleidung, wobei der Wunsch nach Teilhabe und Gleichberechtigung deutlich sichtbar wurde. Dass die von Birnbaum, Buber und anderen geführte Diskussion über ein „richtiges“ oder gar „wahres“ Judentum in der Frage „Kaftan- oder Krawattenjuden?“ gipfelte, zeigt dies besonders.

Die 32. Sommerakademie des Injoest widmet sich vom 5.-7. Juli 2023 dem Thema Kleidung, Mode und Produktion im Hinblick auf jüdische Kultur vom Mittelalter bis in die Gegenwart im zentraleuropäischen Raum, ohne sich auf diesen allein zu beschränken.

Im Folgenden finden Sie einige Vorschläge zu möglichen Themenkreisen und Aspekten, die auch unter Einbeziehung von Gender behandelt werden sollten.

  • Kleidervorschriften und –ordnungen
  • Kleidung im Spannungsfeld von Tradition, Religion und Identität
  • Kleidung als kultureller Code
  • Kleidung und Flucht, Kleidung und Migration
  • Kleidung und Produktion: Jüdische Textilindustrie, vom Hadern- zum Stoffhändler

Wir freuen uns auf Ihre Abstracts (max. 300 Wörter) und Kurzbiografie inkl. Publikationen (max. 300 Wörter) und bitten Sie, diese bis 10. Dezember 2022 per E-Mail an Dr. Sabine Hödl (sabine.hoedl@injoest.ac.at) zu senden. Den Referentinnen und Referenten steht eine halbe Stunde Rede- und 15 Minuten Diskussionszeit zur Verfügung. Die Tagungsorganisation übernimmt für Vortragende die Reise- und Hotelkosten. Eine Publikation wird erwogen.