Hachschara-Lager in Österreich ​

Das Dissertationsprojekt von Janina Böck-Koroschitz erforscht die Entstehungsgeschichte, den Verlauf, die agierenden Organisationen und Personen sowie die Wirkungsgeschichte der österreichischen Hachschara.

Das hebräische Wort Hachschara bedeutet die Vorbereitung (wörtlich: Tauglichmachung) auf eine landwirtschaftliche und handwerkliche Tätigkeit in Palästina/Erez Israel. In den 1920er Jahren begannen jüdische Jugendorganisationen, Lager im Osten Österreichs einzurichten, um Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, nach Palästina/Erez Israel auszuwandern. Unter der britischen Mandatsregierung waren die Einwanderungsbestimmungen sehr streng und klar formuliert, sollten doch die neuen Einwanderer dem Staat von Nutzen sein und helfen können, das Land aufzubauen.

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Hierfür wurden von den verschiedenen Jugendorganisationen unter dem Dachverband Hechaluz (hebr.Pionier) Hachscharalager errichtet, in denen die Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren landwirtschaftliche und handwerkliche Tätigkeiten lernten. Neben dem praktischen gab es auch theoretischen Unterricht. Dieser umfasste Hebräisch, jüdische und zionistische Geschichte, Palästinakunde, Naturwissenschaften, Erdkunde sowie Erste Hilfe. Die teilnehmenden Jugendlichen wurden Chawerim/Chawerot (hebr.Genoss*innen, Freund*innen) oder Chaluzim/Chaluzot (hebr.Pionier*innen) genannt.
Die Lager wurden hauptsächlich auf Gutshöfen, Schlössern oder Bauernhöfen eingerichtet, die meistens jüdischen Besitzer*innen gehörten. Ein Aufenthalt in den Lagern war für ca. 2 Jahre vorgesehen und wurde mit einer Prüfung beendet. Die besten Teilnehmer*innen konnten mit einer Auswanderung nach Palästina/Erez Israel rechnen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 in Österreich änderte sich die Funktion der Hachscharalager schlagartig. Waren die Anfänge der Hachschara bis 1938 vor allem ideologisch geprägt, veränderte sich die Position ab dann zu einer reinen Fluchtorganisation. So galt die Teilnahme an Hachschara für viele Jugendliche als letzte Hoffnung für eine Flucht aus Österreich. Die Altersvorgaben wurden gelockert, damit auch Jüngere und Ältere eine Chance auf Hachschara hatten. Auch die Dauer des Aufenthalts in einem Lager wurde von zwei Jahren auf teilweise Wochen oder nur wenige Tage reduziert.

Bearbeiterin: |mail: Mag. Janina Böck-Koroschitz|

Dieses Projekt wird im Rahmen des Forschungprojekts |NS-„Volksgemeinschaft“ und Lager im Zentralraum Niederösterreich. Geschichte – Kontaktzonen – Erinnerung|, gefördert von der NÖ Landesregierung, Abteilung Wissenschaft und Forschung, druchgeführt.

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Ausbildungslager in Hohenau, 1925 © Ghetto Fighters

„Koschere” Lederhosen, „jüdische” Dirndln?

Das Tragen von Tracht als Repräsentation der Zugehörigkeit in Wien und Niederösterreich zwischen Aufkommen der Sommerfrische und 1938

Zwischen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und 1938 können Fotografien prominente jüdische Angehörige des Großbürgertums, Künstler und Künstlerinnen in Tracht zeigen – oftmals im lockeren Ambiente der Sommerfrische. Theodor Herzl weilte mit der Familie in Altaussee, Sigmund Freud wanderte mit seiner Tochter Anna durch die Dolomiten, Arthur Schnitzler residierte am Semmering. Sie alle wurden in Tracht bzw. in trachtenartiger Kleidung abgebildet.
Das vorliegende Dissertationsvorhaben von Merle Bieber nimmt diese Bildquellen zum Anlass, um Gebrauch, Besitz und Symbolcharakter von Trachten und trachtenartiger Kleidung zu erforschen. Die Arbeit beschränkt sich auf Quellen, die einen direkten Bezug zu Wien und Niederösterreich aufweisen.

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Der zeitliche Rahmen des Dissertationsvorhabens erstreckt sich vom Einsetzen der Sommerfrische bis zur Einführung des Trachtenverbots im Juni 1938. Wenngleich die meisten Quellen aus der Entstehungszeit zwischen 1880 und dem Jahr 1938 stammen dürften, so kann sich der Bogen in einem Exkurs bzw. einer Case Study über die Themen Emigration und Exil sowie Bedeutung für Nachkommen bis in die Gegenwart spannen.

Kernpunkte des vorliegenden Dissertationsprojekts bilden einerseits die Funktion der Kleidung in ihrem identitätsstiftenden und Zugehörigkeit erzeugenden Charakter und andererseits die spezielle Bedeutungsmodifikation der Tracht – von ihrer ursprünglichen, allgemeinen Bedeutung als Gewand bis zur Zuschreibung als Kleidung des „einfachen Landvolkes“.

Im 19. Jahrhundert wurde die „alpine“ Tracht vom aristokratisch-bürgerlichen Milieu im Salzkammergut kultiviert und zur Freizeitkleidung der aufkeimenden Sommerfrischeaufenthalte modifiziert. Vertreter des Kaiserhauses sahen im Tragen der Tracht ein Mittel, um seine Verbindung zum Landvolk und zur Einfachheit auszudrücken. Die Tracht befeuerte die romantische Sehnsucht nach einer verlorenen „heilen Welt“ und konnte für die jüdische Bevölkerung Ausdruck eines „Dazugehörens“ bilden. Dieses Angleichen wird durch Fotografien sichtbar, die Jüdinnen und Juden in Tracht zeigen. Sie wird aber auch in der Ablehnung dieser Aneignung deutlich: Spätestens mit dem 1908 gegründeten „1. Österr. Reichsverband für Alpine, Volks- und Gebirgs-Trachten Erhaltungsvereine“ setzte in dessen Schriften ab 1912 der „Kampf“ um die „Vätertracht“ ein, die sich gegen die Sommerfrische-Mode als solche und in den Folgejahren in Artikeln und Karikaturen immer stärker gegen Jüdinnen und Juden richtete. Dem jüdischen Bedürfnis nach Akzeptanz wurde letztlich durch das von den Nationalsozialisten am 20. Juni 1938 erlassene Trachtenverbot für Jüdinnen und Juden ein Ende gesetzt.

Bearbeiterin:|mail: Merle Bieber, MA|
Betreuerin: |mail: PD Dr. Martha Keil|

Wir danken dem Land Niederösterreich für die Unterstützung des Dissertationsprojekts.

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Grete Morgenstern im Dirndl © Privatarchiv Morgenstern

Jüdische Studentenverbindungen in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1882-1938


Dissertation von Arik Shoihtman am Institut für Geschichte der Universität Wien
Betreuerin: PD Dr. Martha Keil

Nach dem Staatsgrundgesetz von 1867 begannen Juden im gesamten habsburgischen Raum Universitäten zu besuchen. Begleitend zum Studium wurden viele Juden in verschiedene Studentenverbindungen aufgenommen. Die Teilnahme an einer studentischen Vereinigung war zu dieser Zeit weit verbreitet und bot nicht nur die Möglichkeit der studentischen Sozialisierung sondern auch zum Networking.

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Darüber hinaus führte der erstarkende Patriotismus dazu, dass sich viele Juden als Deutsche bzw. Österreicher mit mosaischer Religion deklarierten und bereit waren, sich vollständig in die Gesellschaft zu integrieren.

Als Reaktion auf das wachsende antisemitische Klima in den Burschenschaften ab den 1880er Jahren begannen jüdische Studenten eigene Studentenvereinigungen zu gründen. Auf die Gründung der Kadimah in Wien im Jahr 1882 folgte die Etablierung ähnlicher Verbindungen in der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie. Sie übernahmen in der Regel den Stil, die Traditionen, die sozialen Kodizes und die Utensilien ihrer nichtjüdischen Kollegen, diese wurden teilweise dem jüdischen Erbe angepasst. Die jüdischen Studentenverbindungen, die die Konzepte des Tragens von Waffen, der Ehre und anderer Merkmale der Verbindungen aufnahmen, spielten eine entscheidende Rolle in der modernen jüdischen Geschichte und halfen bei der Formung der jüdischen Moderne mit.

Die Dissertation befasst sich mit folgenden Forschungsfragen:• Was waren die externen bzw. internen Gründe für die Etablierung jüdischer Studentenverbindungen?• Welche jüdischen Studentenvereinigungen gab es?• Was waren die allgemein politischen wie auch jüdisch nationalen Ideen, die in den jüdischen Verbindungen vorherrschten, und was war ihr Beitrag zur zionistischen Ideologie?• Was waren die sozialen Merkmale der jüdischen Studentenverbindungen (Duell, Brüderlichkeit, männliche Vereinigung, lebenslange Bindung) und wie haben diese Merkmale die neue jüdische Identität geprägt und die Ankunft der jüdischen Moderne eingeläutet?• Welche Bräuche und Traditionen herrschten in den jüdischen Studentenvereinigungen vor? Was zeichnet das studentische Brauchtum aus?• 1938 wurden die meisten aktiven Verbindungen von den Behörden aufgelöst und aus dem Vereinsregister gestrichen. Die Dissertation wird sich in einem Kapitel mit den Folgen, dem Erbe und dem Beitrag der Studentenvereinigungen für die Zukunft beschäftigen. Wie haben sie die frühe israelische Geschichte beeinflusst? Die Quellen - Dokumente der Verbindungen sowie persönliche Erinnerungen - sind in den Central Archives of the Jewish People in Jerusalem, im Österreichischen Staatsarchiv in Wien, im Jabotinsky-Archiv in Tel Aviv und in Budapest beim Verband der ungarischen Juden verfügbar. Das Institut für Hochschulkunde in Würzburg verwahrt die Studentica-Sammlung von Oskar Scheuer, das Museum der jüdischen Diaspora, Beth Ha-Tefuzot, verfügt über eine umfangreiche Sammlung von Fotografien zu diesem Thema und das Leo-Baeck-Institut bietet mehrere digitalisierte Primärquellen, z. die Kadimah-Sammlung. Auch beim Österreichischen Verein für Studentengeschichte in Wien sind zahlreiche Quellen vorhanden.

Bearbeiter: |mail: Arik Shoihtman|

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Members of "Kadimah" a Zionist students association. Cracow, Poland, 1936 (Courtesy of Dr. Michael Neuman, Israel) Photo Unit Number: 15843 © Beit Hatfutsot

Die Kindertransporte zur Rettung jüdischer Kinder aus Österreich nach Skandinavien 1938-40

Das Dissertationsprojekt der aus Dänemark stammenden und in Wien lebenden Historikerin Merethe Jensen widmet sich dem beinahe vollkommen unerforschten Thema der Kindertransporte aus Österreich nach Skandinavien zwischen Sommer 1938 und März 1940.

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Bereits im April 1938 schickte der norwegische Rechtsanwalt Leo Hersson einen Vorschlag nach Wien, in welchem er einer kleinen Gruppe jüdischer Kinder aus Österreich einen zeitweiligen Aufenthalt in Norwegen anbot. Das Angebot wurde von der IKG Wien angenommen und so reisten im Juni 1938 20 Kinder nach Norwegen. Bis März 1940 folgten 310 jüdische Kinder und Jugendliche aus Österreich, die in Skandinavien der nationalsozialistischen Verfolgung – für einen kürzeren oder längeren Zeitraum – entkamen. 24 Kinder kamen nach Norwegen, 80 Jugendliche nach Dänemark und über 230 nach Schweden.

Grundsätzlich war der Aufenthalt der jüdischen Kinder und Jugendlichen in Skandinavien nur als Übergangslösung gedacht, bis deren Eltern eine neue Existenz in einem dritten Land aufbauen und wieder für die Kinder hätten sorgen können. Im Fall der Jugendalijah-Teilnehmer wurde mit einer baldigen Weiteremigration nach Palästina gerechnet. Die dänischen, norwegischen und schwedischen Entscheidungsträger befürchteten jedoch, dass es nicht möglich sein würde die unbegleiteten Flüchtlingskinder „wieder loszuwerden“, weil den leibliche Eltern die Flucht nicht gelang oder aber die Pflegeeltern zu sehr am Kind hingen. Aufgrund des politischen Widerwillens zu helfen, wurde die Rettung jüdischer Kinder von Hilfsorganisationen durchgeführt, die für sie bürgten und für ihren Lebensunterhalt sorgen mussten, damit sie den skandinavischen Staaten nicht zur Last fielen. Neben den jüdischen Gemeinden und der Jugendalijah waren dies die Schwedische Israelmission, die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit sowie die Nansen-Hilfe.

Unter Anwendung der kollektiven biografischen Methode werden Informationen zum Leben der österreichisch-jüdischen Kinder und Jugendlichen vor März 1938, zu den Erlebnissen während der nationalsozialistischen Verfolgungen, zu ihrer Reise nach Skandinavien und zu ihrem weiteren Leben bis 1945 erfasst. Zum einen werden mittels quantitativer Analyse Daten über diese Kinder und Jugendlichen gesammelt. Diese stammen u. a. aus Fragebögen und Transportlisten der IKG Wien, der Jugendalijah Wien, der Frauenliga für Frieden und Freiheit, aus Karteikarten der jüdischen Gemeinde in Schweden sowie aus der umfangreich vorhandenen Korrespondenz innerhalb der Hilfsorganisationen bzw. mit den Kindern und Jugendlichen sowie mit den Pflegeeltern bzw. den Heimen, in denen sie untergebracht waren.

Zum anderen wird die Geschichte der Kinder und Jugendlichen in den historischen bzw. gesellschaftlichen Kontext gestellt. Dies ist notwendig, um eine qualitative Analyse von  Ego-Dokumenten (publizierte und nicht-publizierte Briefe, Tagebücher, Erinnerungsberichte, Oral History-Interviews) durchführen zu können. In diesem Zusammenhang ist auch die Analyse des Erinnerungs­prozesses und die Frage bedeutsam, wie sich die im Vergleich mit sicheren Fluchtländern noch einmal erlebten Brüche – sofern sie diese überlebten – auf die Lebensläufe der Kinder auswirkten.
Schlussendlich sollen auch Gemeinsamkeiten mit ähnlichen Ereignissen – Stichwort: Kindertransporte nach England – als auch die Besonderheiten der Rettungsaktionen nach Skandinavien herausgearbeitet werden.

Bearbeiterin: |mail: Merethe Jensen, M.A.|

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Hans Reiss mit der Tochter seiner Pflegeeltern Rachel Feinberg. © Injoest

Die Niederösterreichische Regierung und die Juden in Wien (1740–1792)

Handlungsspielräume und Strategien zwischen Norm und Verwaltungspraxis

Das Dissertationsprojekt von Elisabeth Loinig untersucht die rechtliche Stellung von Juden und Jüdinnen in Wien mit besonderem Schwerpunkt auf die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in der Zeit von Maria Theresia bis zum Regierungsantritt von Franz II. (I).

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Im Mittelpunkt steht dabei die Tätigkeit der Niederösterreichischen Regierung, die als zuständige landesfürstliche Behörde auch mit den Agenden der Judenpolitik befasst war. Für die Juden in Wien war sie demnach die erste Instanz, an die Ansuchen zu richten waren.

Quellengrundlage sind die im NÖLA vorhandenen Geschäftsbücher und Akten der NÖ Regierung, die erst ab 1740 in nennenswertem Umfang erhalten und kaum ediert sind. Diese Akten erlauben nicht nur eine Darstellung der Verfahrensweise und -dauer in „Judensachen", sondern mithilfe der enthaltenen Ansuchen der Parteien, Gutachten der Beamten und „allerhöchsten Entschließungen“ auch die Analyse der Handlungsspielräume, der Argumentationsmuster und der Entscheidungsfindung. Diesbezüglich sind die Beantwortungen von Ansuchen armer oder verarmten Juden um Zahlungsaufschub, Steuerminderung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung besonders aussagekräftig.

Im ersten Teil der Arbeit stehen die obrigkeitlichen Judenverordnungen im Vordergrund, die zum Teil aus politisch-fiskalischen Notwendigkeiten und mentalen Grundhaltungen der Zeit heraus erlassen wurden (z.B. Kriegsfinanzierung, Wirtschaftsförderung, Utilitarismus und Aufklärung; Judenfeindlichkeit). Der zweite Teil bietet eine Analyse der involvierten Personengruppen, also der Beamten und der jüdischen Antragsteller/innen.

Untersucht werden ferner die Auswirkungen der Judenpolitik, die eine soziale Spaltung der Wiener Juden in Tolerierte und Nicht-Tolerierte in prekären Verhältnissen schuf. Geprüft wird weiters, wie jüdische Frauen, die aktiv bei der NÖ Regierung vorstellig wurden, für ihre Anliegen eintraten, und ob Unterschiede zu männlichen Antragstellern in der Argumentation ihrer Ansuchen oder bei den getroffenen Entscheidungen feststellbar sind.

Bearbeiterin: |mail: Mag. Elisabeth Loinig| (NÖLA)
Betreuerin: |mail: PD Dr. Martha Keil|

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NOeLA, Hofresolutionen, 1762, Fasz. Dezember, Nr. 26 (K. 87) Bericht des Staedtischen Kommissaers Augustin Joseph Weyrauch an die NOe Regierung ueber das Aufenthaltsrecht der Familie Wertheimer