1848 – Erlebte Revolution

Das Tagebuch eines Wiener Juden (Deutsch mit hebräischen Lettern)

In der Melker Stiftsbibliothek befindet sich seit März 2003 eine besondere Kostbarkeit: Das die Zeit vom 27. August 1848 bis 31. Mai 1850 umspannende Tagebuch eines im Text nicht genannten Wiener Juden.

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„Fundort“ war das Altstoffsammelzentrum Bad Zell in Oberösterreich, wo ein aufmerksamer Angestellter den unscheinbaren Band dem Müllberg entnahm. Weitere acht (!) Bücher gingen leider unwiederbringlich verloren. Über persönliche Kontakte gelangte das Buch zu Pater Gottfried Glaßner vom Stift Melk und wurde als „Codex 1516“ der Handschriftensammlung der Melker Stiftsbibliothek eingegliedert. Auf 368 eng beschriebenen Seiten sind die Eintragungen in sauberer hebräischer Kursive verfasst, unter Verwendung der ab dem frühen 18. Jahrhundert für das Hochdeutsche üblichen Orthographie.

Die ausführlichen Beschreibungen des Verfassers des Tagebuchs, der als Benjamin Bernhard Kewall aus Polna/Böhmen identifiziert werden konnte, eröffnen einen neuen Zugang zu erlebter Geschichte rund um die Wiener Ereignisse von 1848. Er beobachtete die Revolutionsereignisse buchstäblich „vor seiner Haustüre“ in der Jägerzeile, heute Praterstraße, und war als Hauslehrer und Journalist hervorragend informiert. Folgt man dem Autor und seinen Beschreibungen so führt er uns durch die Stadt hin zum Parlament (um politische Reden zu hören), ins Kaffeehaus (wo sich die RegierungskritikerInnen trafen) und des Öfteren ins Theater (wohl seine liebste Freizeitvergnügung). Er bietet uns ein vielschichtiges Bild der Wiener Gesellschaft, bestehend aus revolutionären Studenten und ArbeiterInnen, uniformierten Frauen und eingeschüchterten Beamten, schwarzgelben und roten BürgerInnen, den Rotmänteln des Jellacic und den revolutionären Nationalgardisten etc.

Seine Aufzeichnungen spiegeln die Erlebnisse und Überzeugungen eines liberalen Juden und Journalisten in einer revolutionären Zeit wider. Sein Judentum erlebt er hauptsächlich bei Pessachfeiern und anderen hohen Feierlichkeiten oder wenn er mit dem neu aufkeimenden Antisemitismus konfrontiert wird.

Aufgabe dieses Projekts war es, sich mit den Lebenswelten des Tagebuchschreibers sowie seinen historischen Darstellungen und individuellen Perspektiven zu beschäftigen. Aufgrund fehlender Quellen war bisher eine jüdische Perspektive auf die Ereignisse und Auswirkungen der Revolution von 1848 nur eingeschränkt möglich. Mit der Veröffentlichung dieses Selbstzeugnisses ist daher ein erweiterter und teilweise neuer Zugang geboten. Die Publikation von Wolfgang Gasser und Gottfried Glaßner umfasst Faksimile und Transkription der Quelle, ihre textkritische Bearbeitung sowie einen biographischen Abriss über den Autor.

Sachbearbeiter: |mail: Dr. Wolfgang Gasser|

Wir danken dem Stift Melk für die Unterstützung des Projekts

Die „Hörbilder“-Sendung von Günter Kaindlstorfer „Der Freiheit eine Gasse. Der Wiener Journalist Benjamin Kewall und sein Revolutionstagebuch aus dem Jahr 1848“ erhielt in der Sparte „Bildung/Wissenschaft“ den nach dem ORF-Kurator und Erwachsenenbildner Eduard Ploier benannten Spartenpreis des |Radiopreises der Erwachsenenbildung 2012|.

Rezensionen
|Sehepunkte|
|Die Zeit|

Publikationen
Wolfgang Gasser, Erlebte Revolution 1848/49. Das Tagebuch des Wiener jüdischen Journalisten Benjamin Kewall. Unter Mitarbeit von Gottfried Glaßner (Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 3). Oldenbourg Verlag, Wien-München 2010. 540 S. |Mehr Information|

Wolfgang Gasser, „Ich bin mitten in eine gewaltige zeitgeschichtliche Bewegung versetzt worden...“ – Vier politische Tagebücher aus der Wiener 1848er-Revolution. In: Anna Mitgutsch, Wolfgang Gasser, Claudia Lehner, Petra-Maria Dallinger, Tagebücher. Aufzeichnungen aus bewegten Zeiten. Publikation des Stifterhauses, Zentrum für Literatur und Sprache in Oberösterreich. Linz 2009, S. 18–51.

Ders., Analyse zum Tagebuch von Benjamin Kewall aus der Wiener Revolution 1848/49 in 2 Bdn. Phil. Diss. Universität Wien 2009.

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Detail aus Seite 346, Beschreibung eines Theaterbesuchs, 28. Februar 1850 © Gottfried Glassner

Abbruch und Neubeginn

Jüdische Volkskunde in Österreich

Ausgangspunkt der Überlegungen des Forschungsprojekts „Abbruch und Neubeginn“ waren biographische Arbeiten zum Wiener Rabbiner, Historiker und Volkskundler Max Grunwald, dessen wissenschaftliches wie persönliches Schicksal für das vieler anderer steht. Zwar hat sich die Volkskunde (Europäische Ethnologie/Empirische Kulturwissenschaften) mit der Ge­schichte ihrer Disziplin auseinandergesetzt und auch die Jüdische Volkskunde, ob­wohl nie universitär verankert, dabei mitgedacht, doch wurde dem Exodus der Jüdischen Volkskunde aus dem deutschsprachigen Raum und speziell aus Österreich bisher kaum Rech­nung getragen.

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Auch wenn Max Grunwald und die von ihm gegründete „Gesellschaft für jüdische Volkskunde“, deren wichtigstes Publikationsorgan die „Mitteilungen für jüdische Volkskunde“ waren, wissenschaftlich untersucht wurden, fehlten Forschungen zum Ende dieser Wissenschaftsdisziplin und zu den Spuren, die sie in Österreich hinterlassen hat.

Um die Protagonist/innen der Jüdischen Volkskunde in Österreich und im deutschsprachigen Raum festmachen zu können, wurde eine Studie an exemplarischen Periodika, die regelmäßig Beiträge zur Jüdischen Volkskunde publizierten, vorgenommen. Es konnten ca. 180 Personen ermittelt werden, die im Feld der Jüdischen Volkskunde forschten. Etwa die Hälfte von ihnen publizierte in mehreren Zeitschriften. Nur ein Bruchteil der Personen stammte, soweit biogra­phische Daten zugänglich waren, aus Österreich. Als Konsequenz der Analyse wurde auf zwei Personengruppen fokussiert, zum einen jene, die in der Forschung und zum anderen jene, die in jüdischen Museen tätig war.

Anhand der Publikationen (im  Wesentlichen in den seit 1898 erschienenen Mitteilungen zur jüdischen Volkskunde) sowie des Briefwechsels von Max Grunwald wurde versucht, einen wissen­schaftlichen Kreis rund um Max Grunwald festzumachen, also Personen zu identifizieren, die in einem wissenschaftlichen wie persönlichen Netzwerk miteinander interagierten.

Jüdische Museen und insbesondere das Jüdische Museum Wien, das 1895 als erstes Jüdisches Museum Europas gegründet worden war, profitierten von den Ergebnissen der Forschungen zur Jüdi­schen Volkskunde, andererseits befruchteten auch die in den Museen entwickelten Fragestellungen die Forschung.

Weder Max Grunwald selbst noch sein geistiges Erbe konnten sich letztendlich in Österreich durchsetzen – bis heute wird kaum zur jüdischen Volkskunde geforscht. Grunwald als Volkskundler blieb der akademische Raum verwehrt – und nicht nur ihm, son­dern damit der gesamten Jüdischen Volkskunde. Und auch die erhoffte Gegenwehr gegen den Antisemitismus war nicht von Erfolg gekrönt.

Im Rahmen des hier beschriebenen Projekts konnten aufgrund finanzieller Kürzungen Forschungen zu einigen relevanten Inhalten nicht durchgeführt werden, etwa zum – inhaltlichen wie organisatorischen – Verhältnis des Gesamtfachs zur Gesellschaft für jüdische Volkskunde. Ebenso wünschenswert wären Studien zur Frage gewesen, wie sich die liberale und humanistische Position nun inhaltlich im einzelnen niedergeschlagen hat.

Abgesehen von den ersten zögerlichen Forschungen nach 1945 zur Geschichte und Kultur der burgenländischen Juden muss festgestellt werden, dass nach dem Zweiten Welt­krieg keine eigenständigen Studien zur Jüdischen Volkskunde betrieben wurden. Am noch 1945 gegründeten Institut für Judaistik an der Universität Wien konnte sich ebenso wenig eine Jüdische Volkskunde etablieren wie am Institut für Volkskunde (heute Europäi­sche Ethnologie).

1953 verstarb Max Grunwald in Jerusalem, wo er auch begraben ist. Posthum wurde ihm und seiner Frau ein Lehrstuhl für jüdische Folklore an der Hebräischen Universität in Jerusalem gewidmet; nicht zuletzt durch ihn hat die Jüdische Folklore in Israel bis heute Konjunktur – und nicht nur in Israel.

Neben dem Fach Jewish Folklore kam es in den USA (und wiederum in Israel) mit der Etablierung der cultural studies auch zur Ausbildung der Jewish cultural studies, einer jungen und dyna­mischen Fachrichtung, die nun auch stark nach Europa ausstrahlt.

Vor allem in Deutschland wurden die Jewish cultural studies begeistert rezipiert und regten und regen nach wie vor zu neuen Forschungen an. Mitte der 1990er Jahre ist die jüdische Kulturgeschichte schließlich auch in Österreich angekommen.

Sachbearbeiterin: |mail: Dr. Barbara Staudinger|

|Projektbericht|

Wir danken dem |Zukunftsfonds der Republik Österreich| für die Unterstützung des Projekts!

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Sterntichel und Hut aus Seide, Spitze, Drahtgestell, Seiden- und Samtblumen, Perlen und Glassteinen, sowie Puppenmodell mit Sterntichel und Haube aus Porzellan, Stoff, Glasperlen und Flitter. Beide Objekte stammen aus dem 19. Jahrhundert und sind eine Spende der aus Galizien stammenden Adele von Mises an das Alte Jüdische Museum, Wien © Jüdisches Museum Wien

„Abgemeldet“

Die Zwangsumsiedlung St. Pöltner Juden und Jüdinnen in die Sammelwohnungen in Wien 1938–1942
|Sparkling Science| Projekt (2015–2016)
Die Delogierung und Zwangsumsiedlung in sogenannte Sammelwohnungen am Wohnort und in Wien werden in den Selbstzeugnissen der 1938–1942 aus Niederösterreich vertriebenen Jüdinnen und Juden kaum erwähnt. Weder die Betroffenen selbst noch die zur Shoah forschenden Historiker/innen maßen dieser ersten Vertreibung große Bedeutung zu; zu sehr wurde sie von den nachfolgenden traumatischen Ereignissen überschattet. Das vorliegende Projekt untersuchte daher erstmals anhand von bisher unausgewertetem Archivmaterial und lebensgeschichtlichen Quellen die behördliche Abwicklung einerseits und die Auswirkungen auf die Betroffenen andererseits.

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Im ersten Teilprojekt forschten zwei 7. Klassen zweier St. Pöltner Realgymnasien (ca. 50 Schüler/innen) zur Familiengeschichte und sozialen Lage der Jüdinnen und Juden ihrer Heimatstadt vor 1938 und zu deren Lebensrealität in den Sammelwohnungen. Basierend auf der eigenen Reflexion, was Wohnen und zu Hause Sein bedeutet, diskutierten die Jugendlichen die Informationen zur Zwangsumsiedlung in den jüdischen Selbstzeugnissen. Wolfgang Gasser dokumentierte ihren Erkenntnisprozess. Im zweiten Teilprojekt erforschte Philipp Mettauer sowohl die Organisation und Durchführung der Zwangsumsiedlung durch die NS-Behörden als auch Anzahl, Lage, Größe und Ausstattung der Sammelwohnungen in Wien sowie die Lebensrealitäten und Handlungsspielräume ihrer Bewohner/innen. Zur Rekonstruktion der Lebensbedingungen und sozialen Netzwerke der aus St. Pölten Umgesiedelten zog er die For­schungser­gebnisse der Schüler/innen heran. Zudem konnten einige Jugendliche freiwillig ein Nachkommentreffen der St. Pöltner Juden und Jüdinnen mit organisieren.

Projektleiterin:|mail: PD Dr. Martha Keil|
Mitarbeiter/innen: |mail: Dr. Wolfgang Gasser|, |mail: Dr. Philipp Mettauer|, Mag. Iris Palenik

Kooperationspartner:
|BG/BRG St. Pölten Josefstraße |
|BRG/BORG St. Pölten, Schulring |
|Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus|
|Niederösterreichisches Landesarchiv (NÖLA)|

Dieses Projekt hat ein Top Citizen Science-Erweiterungsprojekt.

„Unsere vertriebenen Nachbarn: Juden im niederösterreichischen Zentralraum – Forschung und Erinnerungskultur“, ein Projekt des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs, wird Bürgerinnen und Bürger in Niederösterreich einladen, in ihren Archiven nach Erinnerungen wie Objekten, Fotos, Dokumenten und Briefen zu suchen. Ziel ist es, mehr über das christlich-jüdische Zusammenleben, über Aspekte wie Freundschaft, Schule, Berufs- und Alltagsleben vor, während und nach dem Krieg zu erfahren. |Weitere Informationen|

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„Geschlossene“ Anstalt?

Die „Heil- und Pflegeanstalt“ Mauer-Öhling (Niederösterreich) in der NS-Zeit und im kollektiven Gedächtnis
|Sparkling Science-Projekt|

Projektverlauf und Ergebnisse
Zwei Jahre lang, von 1. August 2017 bis 31. Juli 2019, ermöglichte das Sparkling Science-Programm die Erforschung eines besonders verdrängten Kapitel der österreichischen Geschichte: der „Euthanasie“-Morde in der „Landes-, Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling“, heute Landesklinikum Mauer. Die Forschungs­frage lautete, auf welchen Wegen und durch welche Akteurinnen und Akteure das Wissen um die Anstalts­verbrechen aus der „geschlossenen“ Anstalt dringen konnte und ob dieses Wissen bis heute Spuren im fa­miliären und kollektiven Gedächtnis hinterlassen hatte. Mit dieser Kernfrage führte ein wissenschaftliches Schulprojekt, das anfangs durchaus in der Region auch auf Widerstand gestoßen war, zu einer beispielhaften Auseinandersetzung mit einem verdrängten Kapitel der Regionalgeschichte Amstettens und weit darüber hinaus. Treibende Kraft dieser gesellschaftlichen Veränderung war das beispielhafte Engagement der Part­nerschule und der Stadt Amstetten.

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Etwa 2800 Patientinnen und Patienten wurden innerhalb der Anstalt von Ärzten mit Elektroschocks ermor­det, durch Vergiftung, Vernachlässigung und Verhungern zu Tode gebracht oder zur Vernichtung nach Hartheim und Gugging deportiert. Sämtliche Tötungskategorien waren während der Vorgänge und nach dem Krieg bekannt: Projektmitarbeiter Philipp Mettauer konnte anhand der Personalakten der Anstalt, der Gerichtsakten zum Prozess gegen die des Mordes und der Beihilfe beschuldigten Ärzte und Pfleger im Juni 1948 und diverser schriftlicher und mündlicher Aussagen von Zeitzeugen rekonstruieren, wie gut sowohl das Personal als auch die Angehörigen und sogar die Patientinnen und Patienten selbst über die Mordtaten in der Anstalt und über die Deportationen Bescheid wussten. Stadtarchivar Thomas Buchner konnte anhand der zeitgenössischen Medienberichte nachweisen, dass auch die breite Öffentlichkeit informiert war. Wie bezüglich anderer Verbrechen in der NS-Zeit wurde auch hier in den Nachkriegsjahren die aktive Ausei­nandersetzung eingestellt und die Ereignisse zunehmend verdrängt.

Forschung der Schüler/innen
Die insgesamt 45 Schülerinnen und Schüler aus zwei Klassen des Aufbaulehrgangs Wirtschaft (ALW) der Fachschule Amstetten im Alter von 17 bis 19 Jahren hatten zwei Aufgabenbereiche: Eine Gruppe rekon­struierte aus den Krankenakten und Interviews mit Angehörigen drei Lebensgeschichten von Opfern und berichtigte die in der offiziellen Krankengeschichte verschleierten Todesursachen. Die zweite Gruppe be­fragte in neun ausführlichen, offenen Interviews Angehörige der Ermordeten, Nachkommen von verurteil­ten Pflegern und Persönlichkeiten des heutigen öffentlichen Lebens nach dem familiären und kollektiven Wissen um die Ereignisse. Aus diesem Interviewmaterial drehten fünf Schüler/innen freiwillig außerhalb der Schulzeit den halbstündigen Dokumentarfilm „Mauer des Schweigens“. Alle Beteiligten erhielten eine profunde Einführung in historische Arbeitstechniken und besuchten das NÖ Landesarchiv sowie die durch keinerlei Hinweis gekennzeichneten Massengräber auf dem Anstaltsfriedhof. Die Auseinandersetzung mit diesem belastenden Thema wurde durch die Lehrer/in und den Schulpsychologischen Dienst Amstetten einfühlsam begleitet. Als positive Wirkung zeigte sich, dass das Sprechen über das Projekt die Kommuni­kation in den Familien förderte und innerhalb der Klassen den Zusammenhalt stärkte.

Materialisierte Forschungsergebnisse
Die wissenschaftlichen Ergebnisse des Projekts sicherten die Grundlage für ein Denkmal für die Opfer der Anstalt, mit dem die Abteilung „Kunst am Bau“ des Landes Niederösterreich den St. Pöltner Künstler Flo­rian Nährer beauftragte. Die Enthüllung dieser sogenannten „Himmelstreppe“ am 8. Mai 2019, unmittelbar nach der Präsentation der Projektergebnisse durch das Historikerteam und die Schüler/innen, unterstrich die öffentliche Relevanz ihrer Forschungsarbeit.
Mit dem Abschluss des Projekts ist die Arbeit nicht zu Ende. Schon während des Projektverlaufs meldeten sich Personen, die entweder bereits private Forschungen durchgeführt oder Interesse an einer Mitarbeit hat­ten. Sie und weitere Interessierte werden im nachfolgenden Top Citizen Science-Projekt „Namen, Gräber und Gedächtnis. Die „Heil- und Pflegeanstalt” Mauer Öhling während der NS-Zeit“ zu den in den Massen­gräbern am Anstaltsfriedhof Beerdigten forschen. Ziel ist ein namentliches Gedenken an alle Opfer des „Heil- und Pflegeanstalt“ Mauer-Öhling.

|Hier| finden Sie die Informationsbroschüre zum Projekt.

Projektleitende Einrichtung
Institut für jüdische Geschichte Österreichs (INJOEST)
Projektleiterin: |mail: PD Dr. Martha Keil|
Mitarbeiter/innen: |mail: Dr. Wolfgang Gasser|, |mail: Dr. Philipp Mettauer|, |mail: Tina Frischmann|

Beteiligte Schule
|Aufbaulehrgang Wirtschaft (ALW) der Fachschule Amstetten, Lehrgang Gesundheit und Soziales|

Wissenschaftliche Kooperationspartner
|Niederösterreichisches Landesarchiv (NÖLA)|
|Stadtarchiv Amstetten|

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Ärztewohnhaus in Mauer-Öhling (Clemens Ableidinger)

Austria Judaica

Das vom Fond zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanzierte Projekt „Austria Judaica“ untersuchte die Geschichte der Juden in den österreichischen Ländern zwischen 1520 und der Vertreibung aller Juden aus Wien und Niederösterreich 1670/71. Es schloß damit an die Tradition des 1903 von der „Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums“ in Berlin initiierten, heute an der Universität Düsseldorf und der Hebrew University in Jerusalem beheimateten Forschungsprojekts „Germania Judaica“ an, das sich der jüdischen Geschichte in den Grenzen der heutigen Bundesrepublik Deutschland zwischen 1520 und 1650 widmet.

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Ziel des Projekts war es, auf breiter Quellengrundlage alle Aspekte jüdischer Existenz im frühneuzeitlichen Österreich zu erforschen, wobei sowohl die innerjüdischen Entwicklungen als auch die Beziehungen zwischen Juden und ihrer christlichen Umwelt untersucht wurden. Die Themengebiete reichten daher von der Siedlungsgeschichte, Rechtsstellung und Wirtschaftstätigkeit der Juden über die soziale Differenzierung der jüdischen Gesellschaft bis zu familien-, geschlechter- und kriminalitätsgeschichtlichen Fragestellungen. Weitere Themen umfassten den Aufbau und das Funktionieren innerjüdischer Organisationsformen auf Gemeinde- und landesjudenschaftlicher Ebene, Kultur und Frömmigkeit sowie das alltägliche christlich-jüdische Zusammenleben in Stadt und Dorfgemeinde.
Von besonderer Bedeutung für die jüdische Gemeinde der Residenzstadt Wien waren die vielfältigen wirtschaftlichen und familiären Beziehungen zu anderen jüdischen Zentren in Mittel- und Ostmitteleuropa.

Basis der Forschungen bildeten in mehrjähriger Arbeit erschlossene, umfangreiche Bestände ungedruckter Quellen aus zahlreichen österreichischen Archiven, welche zu einem Teil in eine Quellen- und Personendatenbank eingearbeitet wurden. Geographisch konzentrierte sich das Projekt besonders auf die jüdische Gemeinde Wiens sowie auf die niederösterreichischen Landjuden, die bis dahin von der Forschung nahezu völlig unbeachtet blieben.

Von 1998–2003 bestand neben der Austria Judaica das vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur finanzierte Kooperationsprojekt „Bohemia, Moravia et Silesia Judaica“, welches die Erforschung der Beziehungsgeschichte der österreichischen und böhmisch-mährischen Juden zum Ziel hatte.

Im Rahmen des Partnerprojekts „Hungaria et Slovakia Judaica“, finanziert durch den Hochschuljubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank, konnten in den Jahren 2000-2002 auch ungarische Bestände gesammelt werden.

Informationen |mail: Dr. Sabine Hödl|

Publikationen

Austria Judaica. Quellen zur Geschichte der Juden in Niederösterreich und Wien 1496–1671. Bearbeitet von Peter Rauscher unter Mitarbeit von Barbara Staudinger. Mit einem Beitrag von Martha Keil. Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Band 7. Böhlau–Oldenbourg, Wien–München 2011.

Barbara Staudinger: Gemeinsame Geschäfte. Jüdinnen als Ehe- und Handelsfrauen und ihre Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit. In: Monika Mommertz, Claudia Opitz-Belakhal (Hrsg.), Das Geschlecht des Glaubens. Religiöse Kulturen Europas zwischen Mittelalter und Moderne. Frankfurt/Main, New York 2008, S. 98–122

Peter Rauscher, Barbara Staudinger: Räume und Wege. Jüdische Geschichte im Alten Reich 1300–1800. Berlin 2007 (Colloquia Augustana 25) (gem. mit Rolf Kießling und Stefan Rohrbacher).

Barbara Staudinger: Innerjüdische Organisationsformen. Die niederösterreichischen Juden zwischen Gemeinde und Landjudenschaft. In: Rolf Kießling, Stefan Rohrbacher, Peter Rauscher, Barbara Staudinger (Hrsg.), Räume und Wege. Jüdische Geschichte im Alten Reich 1300–1800 Berlin 2007 (Colloquia Augustana 25), S. 145–167.

Barbara Staudinger: Nur am Rande der Gesellschaft? Die jüdische Minderheit zwischen Abgrenzung und Integration im frühneuzeitlichen Österreich. In: Eveline Brugger, Birgit Wiedl (Hrsg.), Ein Thema – zwei Perspektiven. Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit. Innsbruck 2007, S. 67–89. |Download|

Barbara Staudinger: Geschichte der Juden in Österreich (gem. mit Martha Keil, Eveline Brugger, Christoph Lind und Albert Lichtblau). Wien 2006 (Österreichische Geschichte).

Barbara Staudinger: In puncto Debiti – Jüdische Geldleiherinnen am Reichshofrat. In: Siegrid Westphal (Hrsg.), In eigener Sache. Frauen vor den höchsten Gerichten des Alten Reiches. Köln–Weimar–Wien 2005, S. 153-180.

Barbara Staudinger: Ritualmord und Schuldklage. Prozesse fränkischer Juden vor dem Reichshofrat im 16. und 17. Jahrhundert. In: Gerhard Taddey (Hrsg.), ... geschützt, geduldet, gleichberechtigt ... Die Juden im baden-württembergischen Franken vom 17. Jahrhundert bis zum Ende des Kaiserreichs (1918). Ostfildern 2005 (Forschungen aus Württembergisch Franken 52), S. 47–59.

Barbara Staudinger: Eine Frage der Ehre. Beschimpfungen zwischen Christen und Juden in der Frühen Neuzeit. In: Nicht in einem Bett. Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit. Juden in Mitteleuropa 2005, S. 58–65. |Download|

Peter Rauscher: Ein dreigeteilter Ort: Die Wiener Juden und ihre Beziehungen zu Kaiserhof und Stadt in der Zeit des Ghettos (1625–1670). In: Susanne Claudine Pils - Jan Paul Niederkorn (Hgg.), Ein zweigeteilter Ort? Hof und Stadt in der Frühen Neuzeit (= Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 44), Innsbruck-Wien-Bozen 2005, S. 87–120.

Peter Rauscher: 150 Jahre jüdisches Leben in Österreich. Das Forschungsprojekt Austria Judaica des Instituts für Geschichte der Juden in Österreich (1998–2005). In: Frühneuzeit-Info 16 (2005), S. 81–86.

Barbara Staudinger: „Gantze Dörffer voll Juden.“ Juden in Niederösterreich 1496–1670. (Geschichte der Juden in Niederösterreich von den Anfängen bis 1945, Bd.2, hrsg. Vom Institut für Geschichte der Juden in Österreich). Mandelbaum Verlag, Wien 2005, 385 S.

Peter Rauscher: Langenlois – Eine jüdische Landgemeinde in Niederösterreich im Zeitalter des Dreißigjährigen Kriegs (= Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes 44). Horn – Waidhofen an der Thaya 2004. 184 S. Bestelladresse: Waldviertler Heimatbund, A-3580 Horn, Postfach 1, Austria.

Barbara Staudinger: Das Judentum im frühneuzeitlichen Europa. Beitrag zum Webprojekt „66 Jahre – eine Zeitenwende“ von pastperfect an der Universität Wien.

Barbara Staudinger: Die Reichshofratsakten als Quelle zur Geschichte der österreichischen und böhmischen Länder im 16. und 17. Jahrhundert. In: Josef Pauser, Martin Scheutz, Thomas Winkelbauer (Hgg.), Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch. Wien - München 2004 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Erg. Bd. 44), S. 327–336.

Barbara Staudinger: „Gelangt an eur kayserliche Majestät mein allerunderthenigistes Bitten“. Handlungsstrategien der jüdischen Elite am Reichshofrat im 16. und 17. Jahrhundert. In: Sabine Hödl, Peter Rauscher, Barbara Staudinger (Hgg.), Hofjuden und Landjuden. Jüdisches Leben in der Frühen Neuzeit. Berlin–Wien 2004, S. 143–183.

Barbara Staudinger: Juden als „Pariavolk“ oder „Randgruppe“? Bemerkungen zu Darstellungsmodellen des christlich-jüdischen Verhältnisses in der Frühen Neuzeit. In: Margareth Lanzinger, Martin Scheutz (Hgg.), Normierte Lebenswelten. Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 4/1 (2004), S. 8–25.

Barbara Staudinger. Die Resolutionsprotokolle des Reichshofrates (RHR). In: |zeitenblicke| 3 (2004), Nr. 3, [13.12.2004]

Barbara Staudinger: „Gantze Dörffer voll Juden“. Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich 1496–1670/71. In: |David. Jüdische Kulturzeitschrift|, Nr. 63 (2004), S. 19–22.

Barbara Staudinger: Widerspenstige Kammerknechte. Die kaiserlichen Maßnahmen zur Erhebung von „Kronsteuer“ und „Goldenem Opferpfennig“ in der Frühen Neuzeit. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 14 (2004), S. 313–363 (gem. mit Peter Rauscher).

Sabine Hödl, Peter Rauscher, Barbara Staudinger (Hg.): Hofjuden und Landjuden. Jüdisches Leben in der Frühen Neuzeit. Berlin, Wien 2004. Philo Verlag. 399 S. |Download|

Barbara Staudinger: Die Reichshofratsakten als Quelle zur Geschichte der österreichischen und böhmischen Länder im 16. und 17. Jahrhundert. In: Josef Pauser, Martin Scheutz, Thomas Winkelbauer (Hgg.), Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch. Wien – München 2004 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Erg. Bd. 44), S. 327–336.

Barbara Staudinger: Juden als „Pariavolk“ oder „Randgruppe“? Bemerkungen zur Darstellungsmodellen des christlich-jüdischen Verhältnisses in der Frühen Neuzeit. In: Margareth Lanzinger, Martin Scheutz (Hgg.), Normierte Lebenswelten. Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 4/1 (2004), S. 8–25.

Sabine Hödl, Barbara Staudinger: „Ob mans nicht bei den juden ... leichter und wolfailer bekommen müege“. Juden in den habsburgischen Ländern als kaiserliche Kreditgeber (1520–1620). In: Friedrich Edelmayer, Maximilian Lanzinner, Peter Rauscher (Hrsg.), Finanzen und Herrschaft. Materielle Grundlagen fürstlicher Politik in den habsburgischen Ländern und im Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert. Wien-München 2003 (Veröffentlichungen des Institut für Österreichische Geschichtsforschung 38), S. 246–269.

Barbara Staudinger: Von den Rechtsnormen zur Rechtspraxis. Eine Stellungnahme zu einem Forschungsvorhaben zur Rechtsgeschichte der Juden im Heiligen Römischen Reich. In: Aschkenas 13/1 (2003), S. 107–115.

Barbara Staudinger: Die Resolutionsprotokolle des Reichshofrats als Quelle zur jüdischen Geschichte. In: Anette Baumann, u. a. (Hrsg.), Prozeßakten als Quelle. Neue Ansätze zur Erforschung der Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich. Köln-Weimar-Wien 2001, S. 119–140.

Barbara Staudinger: „Auß sonderbaren khayserlichen gnaden“. Die Privilegien der Wiener Hofjuden im 16. und 17. Jahrhundert. In: Frühneuzeit-Info 12/1 (2001), S. 21–39.

Barbara Staudinger: Juden am Reichshofrat. Jüdische Rechtsstellung und Judenfeindschaft am Beispiel der österreichischen, böhmischen und mährischen Juden 1559–1670. Ungedr. phil. Diss., Wien 2001.

Lydia Gröbl: „... auf wolgefallen..., doch das er sich also der gebüer nach verhalte...“. Juden in Stein im 17. Jahrhundert. In: Unsere Heimat. Zeitschrift für Landeskunde von Niederösterreich 71/4 (2000), S. 268–278.

Lydia Gröbl, Sabine Hödl, Barbara Staudinger: Steuern, Privilegien und Konflikte. Rechtsstellung und Handlungsspielräume der Wiener Juden von 1620 bis 1640. Quellen zur jüdischen Geschichte aus den Beständen des Österreichischen Staatsarchivs. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48 (2000), 147–195.

Lydia Gröbl, Sabine Hödl, Barbara Staudinger: Austria Judaica. Die Geschichte der Juden in Österreich von 1520 bis 1670. Projektbericht. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 108/1–2 (2000), S. 139–143.

Lydia Gröbl, Sabine Hödl, Barbara Staudinger: Projekt Austria Judaica. In: Aschkenas – Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 9/2 (1999), S. 587–589.

Sabine Hödl: Die Privatbriefe von Prager an Wiener Juden (1619) als familienhistorische Quelle. In: Sabine Hödl, Martha Keil (Hgg.), Die jüdische Familie in Geschichte und Gegenwart. Bodenheim 1999, S. 51–77.

Sabine Hödl: Zur Geschichte der Juden in Österreich unter der Enns. 1550–1625. Ungedr. phil. Diss. Wien 1998.

Sabine Hödl: ... dem gemeinen Mann überal zu Verderben und menniglich zu unleidenlichen Beschwarungen ... Studien zur Judenfeindschaft in Österreich von 1496 bis 1620. In: Martha Keil - Eleonore Lappin (Hg.), Studien zur Geschichte der Juden in Österreich. Bodenheim 1997 (Handbuch zur Geschichte der Juden in Österreich, Reihe B, Bd. 3), S. 35–64.

Sabine Hödl: Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden. Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich von 1420 bis 1555. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45 (1997), S. 271–296. |Online|

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Tor der ehemaligen Synagoge im Ebenfurther Ghetto vor 1670 @ Injoest

„Arisierte“ Dinge und „Dinge des Exils“

Themenbereich „Dinge und Migration”

Die Vertreibung jener Menschen aus Niederösterreich, die nach den „Nürnberger Gesetzen“ als jüdisch galten, brachte nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch deren Besitz buchstäblich in Bewegung. Denn die „Arisierungen“ und „Entjudungen“ betrafen nicht nur Immobilien und Geschäfte, sondern auch alltäglich gebrauchten Hausrat, Kleidung, Möbel, Bücher sowie Kunstgegenstände. Angesichts dieser besonderen Mobilität durch Raub und Vertreibung beschäftigte sich der Themenbereich mit den Akteursgruppen, den Veränderungen sowohl für die Profiteure als auch für die Beraubten: Welche Bedeutungen verbanden einerseits die „Ariseure“ mit den „neuen Dingen“? Inwieweit brachten ihnen diese eine Aufwertung ihres gesellschaftlichen und sozialen Status? Mussten sie jemals restitutiert oder rückgestellt werden?

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Welche Dinge konnten andererseits die zur Flucht Gezwungenen in die Emigration retten? Inwieweit luden die Enteigneten den unfreiwillig zurückgelassenen Besitz mit Bedeutungen auf? Wie wurde dieser Verlust erinnert? Wie veränderten sich durch Besitzer- und Ortswechsel die Dinge selbst, etwa, indem aufgrund des reduzierten Wohnraums Möbel umgestaltet oder Gegenstände zweckentfremdet werden mussten? 

Anders als im verwandten Themenbereich „(Nicht) im Gepäck?“ sind die Gegenstände dieses Forschungsbereichs in der Regel materiell nicht mehr fassbar. Beschreibungen fanden sich aber in Vermögensanmeldungen, Arisierungs- und Restitutionsakten oder in autobiographischen Texten . Der ergiebigste Quellenbestand warendie knapp 4.700 Aktenvorgänge zum Vermögensentzug im NÖ Landesarchiv sowie die zugehörigen Rückstellungsakten. Weitere Informationen konnten aus den Büchern der „Vugesta“ bzw. den Listen der Umzugsgüter der „Masse Adria“ im Österreichischen Staatsarchiv/Archiv der Republik und den Ausfuhrgenehmigungen im Archiv des Bundesdenkmalamts gewonnen werden.

Projektbearbeiter: |mail: Dr. Philipp Mettauer|
Siehe auch Projekt |Mobile Dinge, Menschen und Ideen| bzw. |www.mobiledinge.at|

Publikationen
Philipp Mettauer, Vom „Arisieren“, Inventarisieren und Emigrieren der Dinge. Mobilien im Reichsgau „Niederdonau“. In: DÖW. Jahrbuch 2022: Delogiert und ghettoisiert.Jüdinnen und Juden vor der Deportation. Hrsg. von Christine Schindler und Wolfgang Schellenbacher im Auftrag des DÖW. Wien 2022.

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Umzugsverzeichnis vom 6. 3. 1940 © Privatarchiv Mettauer

Mobile Dinge, Menschen und Ideen

Eine bewegte Geschichte Niederösterreichs

Mobilität gehört zu den Grundkonstanten menschlichen Daseins und somit aus historischer Sicht zu den wichtigsten individuellen wie gemeinschaftlichen Erfahrungsschätzen. Mit menschlichem Ortswechsel, gleichgültig, ob freiwillig oder erzwungen, geht die Mobilität von Dingen und Ideen einher: Die damit verbundene Begegnung mit dem „Fremden“ hatte und hat das Potenzial, das „Eigene“ zu verändern, sei es durch die Attraktivität des „Neuen“ und die damit verbundene Aneignung oder aber durch Ablehnung desselben. Somit sind mobile Dinge, Menschen und Ideen zentrale Faktoren soziokultureller Veränderung. „Kultur“ als dynamische gesellschaftliche Kategorie und Grundlage gesellschaftlicher Identität wird erst durch den Fokus auf Mobilität verständlich.

Weitere Informationen zum Projekt und seinen Inhalten finden Sie unter |www.mobiledinge.at|!

Hier kommen Sie zum umfangreichen |Abschlussbericht|.

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Das Projekt untersuchte diese Dynamiken in insgesamt sechs Themenbereichen in Zeitschnitten von über 7000 Jahren mittels Objekten aus den Landessammlungen Niederösterreich sowie institutioneller Sammlungen auf dem Gebiet des heutigen Niederösterreichs. Da das Land aus historischer Perspektive eine europäische Region mit besonders hoher Mobilität war und ist, eignete sich Niederösterreich auch im internationalen Kontext besonders gut als exemplarischer Raum. Den gemeinsamen Objektpool aller Themenbereiche bildete der „mobile Hausrat“, da dieser einerseits in vielen Kulturen eine besondere Bedeutung für die Definition sozialer Identitäten besaß, andererseits aufgrund seiner sprichwörtlichen Mobilität besonders leicht Ortsveränderungen unterworfen werden kann. Das Projekt untersuchte daher in all seinen Themenbereichen nicht nur die die Mobilität von Dingen, sondern auch, wie Mobilität an Dingen sichtbar wird.

Zu den Forschungsbereichen, die am Injoest angesiedelt waren, siehe:



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Logo Mobile Dinge

Das Ende (m)einer Kindheit?

Kindertransporte zur Rettung jüdischer Kinder und Jugendlicher aus Österreich 1938–1941
Sparkling Science Projekt (20132014)

Das Projekt nahm die historische Forschung zur Rettung der ca. 2.800 jüdischen Kinder und Jugendlichen durch sog. „Kindertransporte“ aus Österreich 1938–41 zum Ausgangspunkt, sich mit der Frage nach Definitionen und Kriterien von Kindheit zu beschäftigen.

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Das erste Teilprojekt erhob im Rahmen eines anonym ausgewerteten Interviewprojekts an einer 6. Klasse (ca. 25 Schüler/innen) die Kriterien der eigenen Kindheit und deren Ende.
Im zweiten Teilprojekt werteten eine 6. und zwei 7. Klassen an beiden Partnerschulen (ca. 75 Schüler/innen) Video- und Audio-Interviews sowie Lebenserinnerungen ehemaliger Kindertransport-Kinder aus Österreich aus. Im Fokus standen Fragen nach Wahrnehmung von Brüchen, Anpassungsstrategien an neue Lebensumstände und Integration sowie der Prozess des Erinnerns. Dabei war auch der Erkenntnisprozess der Schüler/innen Gegenstand der Untersuchung.
Das dritte Teilprojekt (Dissertation von Merethe Jensen) erforschte die bisher in der Forschung noch kaum berücksichtigten Kindertransporte aus Österreich nach Skandinavien und arbeitete die Ergebnisse der Schüler/innen in einem Kapitel über „Das Ende der Kindheit?“ ein.

In interdisziplinären Workshops erhielten die Schüler/innen eine Einführung in historische und sozialwissenschaftliche Forschung, Entwicklungspsychologie, Analyse von autobiographischen Texten und in die Methoden der Oral History bzw. Interviewtechnik. In den Zeitzeugengesprächen mit ehemaligen Kindertransport-Kindern und den Workshops klnnten sie die erlernten Interview- und Präsentationstechniken in die Praxis umsetzen.

Projektleiterin: |mail: PD Dr. Martha Keil|
Mitarbeiter/innen: |mail: Dr. Wolfgang Gasser| |mail: Merethe Aagaard Jensen, M.A| und |mail: Dr. Philipp Mettauer|

Kooperationspartner:
|BG/BRG St. Pölten, Josefstraße|
|BRG/BORG St. Pölten, Schulring|
|Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien|
|Niederösterreichisches Landesarchiv|

Gefördert aus Mitteln des |BMWFW–Sparkling Science|

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Teilnehmende Schülerinnen bei der Recherchearbeit

Entwurzelt?

Erzwungene Emigration im Familiengedächtnis

Inhalt des Projekts war die nationalsozialistische Verfolgungsgeschichte im Familiengedächtnis. Das Forschungsinteresse fokussierte darauf, wie Erfahrungen von Flucht und Vertreibung der Eltern an die nachfolgenden Generationen tradiert wurden. Eingebettet in den historischen Kontext wurden die verschiedenen Aspekte dieser transgenerationellen Weitergabe erforscht. Anhand von lebensgeschichtlichen Interviews mit Emigrantinnen und Emigranten sowie deren Nachkommen konnten eventuelle psychologische Folgewirkungen aufgezeigt werden. Zudem wurde der Frage nachgegangen, ob bzw. wie die Traumatisierung durch die Verfolgung sowie die Gefühle der Entwurzelung an die nächste Generation weitergegeben wurden.

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Die zeitgeschichtliche Forschung steht an einer Wende, in der die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die das nationalsozialistische Regime noch selbst erlebt haben, altersbedingt sterben. Der Fokus lag daher auf dem Familiengedächtnis, das durch Kommunikation und Interaktion der einzelnen Familienmitglieder fragmentiert entstanden ist und somit ein dynamisches Konstrukt der Erinnerungsgemeinschaft verschiedener Generationen darstellt. Das Projekt stellte Fragen nach dem historischen Fundament und dem Prozess der Vergangenheitsrekonstruktion sowie der Transmission im Familiensystem. Zu diesem Zweck wurden narrative, biografisch orientierte Interviews mit Nachkommen von österreichischen Verfolgten sowohl in Österreich als auch in Argentinien geführt. Für dieses wichtigste Emigrationsland der jüdischen Vertriebenen in Südamerika standen bereits 70 Interviews mit der „ersten Generation" aus einem Vorgängerprojekt zur Verfügung. Es bot den Vorteil, dass Kontakte zu Kindern, Enkeln und Enkelinnen bestehen, mit denen bereits erste Interviews geführt wurden.

Studien in Deutschland, den USA und Israel legen nahe, dass psychologische Folgewirkungen der Familiengeschichte zu erkennen sind und die Traumatisierung durch die Verfolgung sowie die Gefühle der Entwurzelung an die nächste Generation weitergegeben wurden. Für die Nachkommen der österreichischen NS-Vertriebenen im Generellen und für Argentinien im Speziellen fehlte diesbezüglich jegliche Studie, was angesichts der regen internationalen Forschungsaktivitäten ab den 1990er Jahren in diesem Feld sowie der Größe der jüdischen Gemeinde von Buenos Aires verwundert. Für die Mitglieder der dortigen zweiten und dritten Generation waren/sind neben den psychischen Delegationen zudem die Fragen der sozialen, kulturellen und sprachlichen Integration in die Gesellschaft des Landes, in dem sie geboren wurden, noch unbeantwortet.

Informationen: |mail: Philipp Mettauer|

Wir danken dem Zukunftsfonds der Republik Österreich und der Wissenschaftsabteilung des Landes Niederösterreich für die Unterstützung dieses Projekts


Publikation

Philipp Mettauer, Erzwungene Emigration nach Argentinien. Österreichisch-jüdische Lebensgeschichten, Aschendorff Verlag, Münster 2010. Zu beziehen über: |Aschendorff-Buchverlag|

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"Luftwurzeln". Foto von Philipp Mettauer, aufgenommen in Tel Aviv/Yaffo

Flucht nach Niederösterreich: Galizische Juden 1914–1920

FTI-Projekt, Forschungsverbund Migration

Der Erste Weltkrieg setzte im Nordosten der Habsburgermonarchie große Menschenmassen in Be­wegung. Obrigkeitlich zuständig und beteiligt waren diverse Zivil- und Militärbehörden der Habsburgermo­narchie, des Zarenreichs und beider Nachfolgestaaten, vor allem Polen.
Das Projekt untersuchte die Push-Faktoren, Gewalt und Judenfeindschaft, die Beförderung und Versorgung der jüdischen Flüchtlinge unterwegs und die Aufnahme am Ankunftsort zwischen Engage­ment und Feindseligkeit.

Ergebnisse - Zusammenfassung

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Jüdische Flüchtlinge aus Galizien, wie auch andere Flüchtlinge aus dem Nordosten der Monarchie, kamen auf zweifache Weise nach Niederösterreich: Den größten Teil machten die von der k. u. k. Armee aus dem Kriegsgebiet abgeschobenen Zivilisten aus. Für ihre Unterbringung wurden einerseits bereits bestehende Militärcamps verwendet, andererseits wurden im Auftrag des Kriegsministeriums neue Flüchtlingslager errichtet. Außer den Zwangsevakuierten kamen auch unbemittelte Flüchtlinge in diese Lager, die nicht auf die Unterstützung seitens der Bevölkerung in ihren neuen Aufenthaltsorten zurückgreifen und keine sonstige Unterkunft erhalten konnten.

Die zweite Kategorie und einen wesentlichen Teil jüdischer Flüchtlinge bildeten jene, die aus Angst vor russischen Truppen und Pogromen selbstständig ihre Heimatorte verließen. Bemerkenswert ist, dass vom Transport dieser Flüchtlinge zu ihren vorübergehenden Aufenthaltsorten oder Eisenbahnstationen viele Bauern ökonomisch profitierten. Allerdings war der Rechtsstatus der nicht organisiert Flüchtenden bis zur Verabschiedung des Flüchtlingsgesetzes im Dezember 1917 unbestimmt, ihr Schicksal ganz dem Ermessen der Militär- und Zivilbehörden überlassen. Mehrheitlich blieben sie auf die Unterstützung seitens der jüdischen Hilfsorganisationen und jüdischen Bevölkerung ihrer Zufluchtsorte angewiesen.

Neben den vier massiven Fluchtwellen – gleich nach Kriegsausbruch, im Dezember 1914, im Frühjahr 1915 und im Sommer 1916 – begannen bereits im Sommer und im Herbst 1915 massenhafte Rückführungen. Diese betrafen in erster Linie jene, die infolge der Kriegsräumungen vom Militär zwangsumgesiedelt worden waren. Bereits vor dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie befanden sich über zwei Drittel jüdischer Flüchtlinge wieder in ihrem Kronland. Die meisten Rückkehrenden kamen in mehr oder weniger verwüstete Gegenden, oft weit von ihren Heimatorten entfernt, und waren wiederum auf die Hilfe von außen angewiesen. Die jüdische Bevölkerung der am stärksten vom Krieg heimgesuchten 49 ostgalizischen Bezirke ging zwischen den Volkszählungen 1910 (871 895) und 1921 (653 391) um rund 120 000 Personen zurück.

Sachbearbeiter: |mail: Dr. Svjatoslav Pacholkiv|

Finanziert durch die |FTI-Strategie des Landes Niederösterreich|

In Kooperation mit
|Institut für Geschichte des ländlichen Raumes|
|Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit der Universität Salzburg|
|Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung/Außenstelle Raabs|

Internationale Kooperationspartner: Semion Goldin (The Leonid Nevzlin Center for Russian and East European Jewry, Hebrew University Jerusalem (Israel), Wacław Wierzbieniec (Forschungs­zentrum für Geschichte und Kultur der Juden, Universität Rzeszów, Polen), Yaroslav Hrytsak (Jewish Studies, Ukrainische Katholische Universität Lviv, Ukraine).

 

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Fluchterfahrung als Vorteil?

Am Beispiel der jüdischen Flüchtlinge aus Galizien und der Bukowina in Wien und Niederösterreich 1918 –1941

In der Migrationsforschung wurde immer wieder die These zur Diskussion gestellt, dass Menschen mit rezenter eigener oder familiärer Fluchterfahrung im Falle einer neuerlichen Bedrohung wachsamer wären und rascher notwendige Maßnahmen zur rettenden Ausreise treffen würden. Diese These wurde anhand der im Zuge der Umbruchsjahre rund um den Ersten Weltkrieg aus Galizien und der Bukowina nach Wien geflüchteten Jüdinnen und Juden überprüft. So wurden alle zwischen dem 12. November 1918 und 31. Dezember 1938 in Wien geborenen jüdischen Kinder mit mindestens einem galizischen und/oder bukowinaer Elternteil erhoben. Die Ergebnisse überraschen:

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  • Fast 40.000 namentlich erfasste Wiener Jüdinnen und Juden hatten 1918–1938 einen galizisch/bukowinaer Migrationshintergrund oder lebten in einer aufrechten Ehe mit gemeinsamen Kindern mit galizisch/bukowinaer Migrationshintergrund – das machte knapp 20 Prozent der österreichischen Jüdinnen und Juden aus.
  • 43 Prozent der im Untersuchungszeitraum geborenen jüdischen Wiener Kinder hatte einen galizisch/bukowinaer Migrationshintergrund;
  • An den ebenfalls erhobenen Geburtsorten der Eltern wird deutlich, dass sie aus besonders umkämpften Gebieten stammten, also Kriegsflüchtlinge waren.
  • Die Wiener Adressen, Berufe und eingetragenen akademischen Titeln sowie die Namensgebung ermöglichen Rückschlüsse auf den finanziellen und sozialen Status der definierten Gruppe, wobei es hierbei keine statistischen Ausreißer gibt: der Erste Weltkrieg hat die Gesamtheit der Zivilbevölkerung in der Herkunftsregion betroffen und ist damit die plausibelste Erklärung für die Fluchtursache.
  • Doch auch die knapp zehn Prozent der in Wien geborenen Elternteile hatten – einer repräsentativen, qualitativen Stichprobe folgend – überwiegend einen galizisch/buko-winaer Migrationshintergrund.
  • Mit repräsentativen, qualitativen Stichproben wurde anhand des sogenannten Lehmann überprüft, ob die betroffenen Personen 1938 noch in Wien lebten, was beinahe vollständig der Fall war.

Für die Frage, ob Fluchterfahrung ein Vorteil war, wurden die oben bestimmten „Ostjuden“ mit den Datenbanken des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) abgeglichen. Als Referenzwerte wurden die von Jonny Moser ermittelten Opferzahlen herangezogen. Diese Ergebnisse sind ebenso überraschend: Während Moser knapp ein Drittel der österreichischen Jüdinnen und Juden als Todesopfer bestimmt, liegt der Anteil der in der Shoah ermordeten österreichischen „Ostjuden“ und ihrer Familien bei unter 5 Prozent, was die oben getroffene Aussage bestätigt. Auffallend ist darüber hinaus, dass die 5 Prozent der „Ostjuden“, deren Geburtseintrag mit den nationalsozialistischen Zusatzstempeln „Sara“ oder „Israel“ versehen ist, nicht zwangsläu­fig dieselben Personen sind wie die Opfer. Vom Stempel alleine lässt sich kein Opferstatus ableiten. Bei einer Analyse der soziologischen Marker von Alter und Geschlecht sind keine Unterschiede zu anderen österreichischen Jüdinnen und Juden festzustellen.

Informationen: |mail: Dr. Benjamin Grilj|

Wir danken der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7), dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, dem Zukunftsfonds der Republik Österreich und dem Land Niederösterreich für die Unterstützung des Projekts!

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Geschäftsleben und Frauenrechte

Die wirtschaftliche, rechtliche und sozio-religiöse Lage jüdischer und christlicher Frauen in Österreich, Kroatien und der Tschechischen Republik (13.–16. Jhdt)

Österreich, Kroatien und die Tschechische Republik waren in ihren unterschiedlichen geographischen Gegebenheiten im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit bedeutende Handelszentren. Sowohl in der jüdischen als auch in der christlichen Gesellschaft bot das Berufsfeld des Handels und der Geldleihe auch den Frauen die Möglichkeit zur geschäftlichen Betätigung. Sie verfügten über eigenes Vermögen, übernahmen bei Abwesenheit oder Tod des Ehemannes die Agenden und führten sie eigenständig oder im Konsortium weiter.

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Das Projekt untersuchte, unter welchen politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen Frauen in der Lage waren, als eigenständige Rechtspersönlichkeiten und als Berufstätige aktiv zu handeln und über die Grenzen ihrer Geschlechtszuschreibung hinaus Macht in ihrem Kollektiv auszuüben, sei es religiös (jüdische Gemeinde oder Kloster), wirtschaftlich (Familienunternehmen, Zunft), sozial (Bürgertum, Adel, jüdische Oberschichten) oder politisch (Stadt).

Weiteres Ziel war die Erforschung von gleichzeitiger Inklusion und Exklusion: Welche Räume eröffnete die Geschäftstätigkeit von Frauen, welche verschloss sie ihnen? Mit welchen anderen Phänomenen standen diese Entwicklungen in Zusammenhang? Inwieweit waren religiöse Entwicklungen oder politische Ereignisse wie Kriege und Vertreibungen wirksam? Untersuchungszeitraum waren das 13. bis 16. Jahrhundert, in dem in allen drei Ländern zahlreiche und vielfältige, christliche wie jüdische Quellen zur Verfügung standen.

Informationen: |mail: Dr. Martha Keil|

Ein Projekt aus dem Programm Conex II, finanziert durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung


Publikationen

Martha Keil (Hrsg.), Besitz, Geschäft und Frauenrechte. Jüdische und christliche Frauen in Dalmatien und Prag 1300–1600. Kiel, Solivagus Verlag 2011

Dies., Besitz, Geschäft und Frauenrechte. Jüdische und christliche Frauen in Dalmatien und Prag 1300–1600. Zur Einführung. In: Martha Keil (Hg.), Besitz, Geschäft und Frauenrechte. Jüdische und christliche Frauen in Dalmatien und Prag 1300-1600. Solivagus Verlag, Kiel 2011, S. 9–22

Dies., Geschäftsleben und Frauenrechte: die wirtschaftliche, rechtliche und sozio-religiöse Lage jüdischer und christlicher Frauen in Österreich, Kroatien und der Tschechischen Republik (13. bis 16. Jhdt.). Ein Werkstattbe­richt. In: Eveline Brugger, Birgit Wiedl (Hrsg.), Ein Thema – zwei Perspektiven, Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit. Innsbruck, Wien, Bozen 2007), S. 307–317. |Download|

Dies., Women Bankers. In: Encyclopaedia Judaica Vol. 3, Art. Banking and Bankers, 2. Aufl. Jerusalem 2006, S. 115.

Dies., Female Family Members. In: Encyclopaedia Judaica, Vol. 10, Art. Isserlein, Israel ben Pethahiah. 2. Aufl. Jerusalem 2006, S. 769f.

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Studierende und diskutierende Frauen, Darmstädter Haggada, Oberrhein um 1430

Geschichtswerkstatt Pulkau – sammeln wir gemeinsam Geschichte(n)!

Der Granitsteinbruch in Roggendorf/Pulkau war ein früher Industriestandort, der Arbeitsplätze in eine strukturschwache Region brachte. Während der NS-Zeit wurden hier ab 1941 sowjetrussische Kriegsgefangene, polnische und ukrainische „Ostarbeiter“ und ab November 1944 jüdische Verschleppte aus Ungarn zur Zwangsarbeit eingesetzt. Heute sind nur noch wenige Spuren des NS-Zwangslagers sichtbar. Die Geschichte des Ortes ist beinahe in Vergessenheit geraten.
 
Das Projekt erforschte gemeinsam mit lokalen Citizen Scientists die Geschichte des Granitsteinbruchs Roggendorf/Pulkau und stellt sie im digitalen Raum aus. Zwei Künstler/innen – Eva Andraschek und Martin Krenn – arbeiteten mit neuen, digitalen Mitteln an der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Ort. Gemeinsam wurden neue Formen des Umgangs mit vergessenen Orten der Zwangsarbeit in Niederösterreich erarbeitet.


Eine Kooperation zwischen: Universität für Weiterbildung Krems | FH St. Pölten | Institut für Jüdische Geschichte Österreichs, St. Pölten | IKT – Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der ÖAW | openGLAM (Projektkoordination)

Projektpartner: Stadtgemeinde Pulkau | Kulturverein Bildung hat Wert, Pulkau | Krahuletz Museum, Eggenburg | Museum Horn | Museum Retz | Bundesdenkmalamt | erinnern.at | Universität Graz, Centrum für jüdische Studien | Universität Wien, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie


Informationen: |Spuren lesbar machen|

 

 
Steinbruch Roggendorg 2022. Foto: Alexander Steinbruch Roggendorf 2022. Foto: Alexander Schlager/FH St. Pölten

Zu Hause bei den Scheys

Weibliche Lebenswelten im jüdischen Großbürgertum anhand der Briefe von Mathilde Lieben (geb. Schey) an ihre Cousine Marie de Rothschild (geb. Perugia)“

Projektbearbeiterin: |mail: Lisa-Maria Tillian|
Dissertationsprojekt an der Universität Wien, Betreuung: |mail: PD Dr. Martha Keil|, Abschluss 2013

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Das Rothschild-Archiv in London bewahrt neben einer Fülle von geschäftlichen Aufzeichnungen des Familienunternehmens zahlreiche private Schriftdokumente. Diese Dokumente ermöglichen Historiker/innen einen besonderen Blick auf einzelne Mitglieder der prominentesten jüdischen Familie des 19. Jahrhunderts. Doch nicht nur die Rothschilds lassen sich erforschen – ein besonderes „Gustostückerl“ des Archivbestandes führt nämlich nach Österreich und in die Welt der jüdischen Familie Schey, genauer: in die Welt der Mathilde Schey (1861–1940). Die Kostbarkeit von Mathilde’s Briefen wurde im Jahr 2001 in den Londoner Archivbestand aufgenommen: Nachkommen von Leopold de Rothschild (1845–1917) und seiner aus Österreich/Italien stammenden Ehefrau Marie Perugia (1862–1937) übergaben dem Archiv eine große Anzahl von an Marie adressierten Briefen. 

 Als Absenderin eines Großteils dieser Schriftstücke tritt Mathilde Schey (ab 1887 Mathilde Lieben), die Cousine von Marie Perugia (ab 1881 Marie de Rothschild), auf. Mathilde war eines von acht Kindern des Großhändlers Friedrich Schey (1815–1881) und seiner Gattin Hermine, geb. Landauer (1822–1904).

Die Familie Schey war Teil der jüdischen Oberschicht Wiens. Die Geschichte ihres Aufstiegs kann beispielhaft für viele wohlhabende jüdische Familien jener Zeit stehen, denen es gelungen war, die wirtschaftlichen Gegebenheiten und die endlich erreichte rechtliche Gleichstellung zu ihren Gunsten zu nutzen. Das Wiener Stadt- und Landesarchiv widmete der Familie Schey im Jahr 2007 eine Kleinausstellung, in deren Zentrum Mathilde’s Vater Friedrich und seine wirtschaftlichen Aktivitäten sowie sein kulturelles Engagement standen. Im dazu erschienenen Ausstellungskatalog wird Mathilde vor allem im Zusammenhang mit ihrem Ehemann, dem Chemiker Adolph Lieben erwähnt. Ihre bisher unbekannten Briefe lassen es nun zu, in der von mir angestrebten Untersuchung das Mädchen und die Frau Mathilde Schey/Lieben in das Zentrum zu rücken.

Die im Archiv vorhandenen Briefe von Mathilde an ihre Cousine Marie umfassen den Zeitraum von 1872 bis 1937. Nicht nur diese intensive Praxis des Schreibens selbst, welche schon im Kindesalter gepflegt wurde, sondern auch die Briefinhalte legen erstens Zeugnis ab von der Annahme bürgerlicher Werte und Vorstellungen und zweitens von der Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Oberschicht Österreichs. 

Eine zentrale Fragestellung bei der Auswertung und Analyse der Briefe wird demnach sein, wie der Spagat zwischen dem Bewahren jüdischer Eigenständigkeit und Identität einerseits und Assimilation und Weltoffenheit andererseits gemeistert wurde. 
Mathildes Briefe an ihre Cousine Marie zeichnen auch ein Bild von einem großen familiären und gesellschaftlichen Netzwerk, das durch gezielte, teils innerfamiliäre Eheschließungen zustande kam. Es wird deutlich, dass diese Verwandtschaft als soziales Auffangnetz fungierte und dass Hilfe von den wohlhabenden Familienmitgliedern geradezu eingefordert wurde. Die Briefe bieten reichhaltiges Material für eine eingehende familiengeschichtliche Untersuchung dieser Netzwerke und des Umfeldes der Damen Schey (Lieben)/ Perugia (Rothschild).
Die Briefdokumente versprechen des Weiteren auch einige Erkenntnisse zur kulturellen Praxis in der Welt des jüdischen Bürgertums im ausgehenden 19. Jahrhundert. Besonderes Augenmerk soll beispielsweise auf die Erwähnung von Realien, Reisetätigkeiten, Erziehung und Bildung sowie „Kulturkonsum“ (Literatur, Musik, Theater) gelegt werden. 

Nicht zuletzt lassen die Briefe – von einer Frau an eine andere Frau geschrieben – einen Einblick in weibliche Lebenswelten und Bereiche des jüdischen Bürgertums zu. Von zentralem Interesse wird es sein, Rollenbilder, Darstellungen, Erwartungen, Selbstwahrnehmung und Positionierung innerhalb der Familie und der Gesellschaft zu erforschen. Es soll u. a. der Frage nach einer denkbaren Mehrschichtigkeit weiblicher Identität nachgegangen werden: In dem großen Zeitraum der Korrespondenz der beiden Damen liegen deren Mädchen-, Ehe- und Witwenjahre. Mathilde Schey etwa war in verschiedenen Lebensabschnitten sowohl eine Angehörige der Oberschicht und Jüdin als auch Ehefrau bzw. Witwe und es ist anzunehmen, dass sich aus dieser Mehrschichtigkeit jeweils unterschiedliche Handlungsmuster ergaben.

Die Abbildung wurde mit Genehmigung des Rothschild-Archivs London verwendet.

Publikationen

Lisa Tillian, „Hugs from your sincere friend Thildi“: Letters from Mathilde Lieben to Marie de Rothschild. In: The Rothschild Archive Review of the Year April 2009 to March 2010, London 2010, pp. 35-41.

Dies., „Tausend Dank für dein Briefl.“ Eine Untersuchung weiblicher Lebenswelten im jüdischen Großbürgertum in Wien zwischen 1872 und 1937 anhand der Briefe von Mathilde Lieben an Marie de Rothschild. Unveröff. Diss. Univ. Wien, Oktober 2013. |Download|

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Marie de Rothschild (geb. Perugia), The Rothschild Archive

Die niederösterreichische „Heil- und Pflegeanstalt“ Mauer-Öhling in der NS-Zeit

In Kooperation mit dem |Niederösterreichischen Landesarchiv|

Mindestens 30.000 Menschen wurden während der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich als „unwertes Leben“ qualifiziert und im Rahmen der NS-„Euthanasie“ ermordet.Die 1902 gegründete „Kaiser-Franz-Joseph-Landes-Heil- und Pflegeanstalt“ im niederösterreichischen Mauer-Öhling war mit ihren rund 2.000 Betten nach dem Wiener Steinhof und dem Grazer Feldhof die drittgrößte Klinik Österreichs, die im nationalsozialistischen System an der Ermordung von Psychiatrie-Patientinnen und -Patienten beteiligt war.

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Aus der „Heil- und Pflegeanstalt“ Mauer-Öhling sind insgesamt 30.400 Krankenakten der Jahre 1902-1977 im Niederösterreichischen Landesarchiv erhalten und in einer Datenbank systematisch erfasst, wobei Name, Geburts- und Todesdatum bzw. „Abgang“, Herkunftsort, Geschlecht, religiöses Bekenntnis und Diagnose der Patientinnen und Patienten erhoben wurden. Von diesen stammen 3.840 aus der NS-Zeit, vom Stichtag der Aufnahme 12. März 1938 bis 8. Mai 1945. Dabei gilt es zu beachten, dass in dem aufgenommenen Bestand ausschließlich die Verstorbenen, Entlassenen, die wenigen erfolgreich Entwichenen oder die Überlebenden, d.h. diejenigen, die sich 1977 noch in der Anstalt befanden, vorhanden sind. Die auf den Todestransporten nach Hartheim (rund 1.300), Gugging (rund 300) und Linz-Waldegg (mindestens 20) Deportierten sind nicht enthalten, da ihnen die Krankengeschichten, wie bei anderen Verlegungen üblich, mitgegeben wurden. Im NÖLA sind von diesen Fällen daher nur vereinzelt die Abschriften der Deckblätter vorhanden.

Die Menschen wurden vernichtet und eingeäschert, ihre Akten zur späteren „erbbiologischen“ Auswertung in der „Zentraldienststelle“ in der Tiergartenstraße 4 archiviert. Über Umwege gelangte ein Teil dieser Krankengeschichten unter dem Bestandsnamen R 179 in das Bundesarchiv Berlin. Im Sommer 2018 stellte dieses insgesamt 30.000 Namen der Opfer der NS-Euthanasie zur Recherche online, darunter 520 aus der „Heil- und Pflegeanstalt“ Mauer-Öhling.

Nach dem Abbruch der „Aktion T4“ wurde bis Kriegsende anstaltsintern mittels überdosierten Medikamenten, Injektionen, Entzug von Nahrung und eines umgebauten Elektroschockgeräts weiter gemordet. Seit September 1944 fungierte Mauer-Öhling zudem als „Sammelstelle“ für „unheilbar geisteskranke Ostarbeiter und Polen“. Falls deren Arbeitsfähigkeit nicht möglichst rasch wiederhergestellt werden konnte, wurden sie entweder in der Anstalt selbst getötet oder in die Vernichtungszentren deportiert. Die Publikation der grundlegenden Forschungsergebnisse und der Resultate der langjährigen Archivrecherchen in einer umfassenden Monographie befindet sich in Vorbereitung.

Auf dem erweiterten Teil des Anstaltsfriedhofs –  heute ein leeres Areal ohne Hinweis auf die historische Bedeutung – liegen die Opfer der letzten Mordaktion von 1944/45 begraben. Deren Schicksal wurde im Top Citizen Science-Projekt „Namen, Gräber und Gedächtnis“ in Kooperation mit der Stadt Amstetten detailliert erforscht, mit dem Landesklinikum Mauer wird an einer würdigen Gestaltung des Geländes gearbeitet. Informationen zu Mauer-Öhling finden Sie auch |hier|.

Information: |mail: Dr. Philipp Mettauer|
Wir danken dem Land Niederösterreich für die Unterstützung des Projekts!

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Das Landesklinikum © Landesklinikum Mauer-Öhling

Juden in der Frühen Neuzeit

Ein Forschungsschwerpunkt war die Befassung mit der Geschichte der Juden in der frühen Neuzeit.

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Zwei Projekte wurden in den letzten Jahren hierzu durchgeführt: |Austria Judaica| und |Von Silberhändlern und Münzjuden|

2011 ist eine Quellenkunde zur Geschichte der Juden in Wien und Niederösterreich im 16. und 17. Jahrhundert erschienen: Austria Judaica. Quellen zur Geschichte der Juden in Niederösterreich und Wien 1496–1671. Bearbeitet von Peter Rauscher unter Mitarbeit von Barbara Staudinger. Mit einem Beitrag von Martha Keil. Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Band 7. Böhlau–Oldenbourg, Wien–München 2011.

Noch nicht abgeschlossen ist eine umfangreiche Personen- und Quellendatenbank zum Projekt Austria Judaica, an der laufend weiter gearbeitet wird.

Informationen: |mail: Sabine Hödl|

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Der Auszug der Juden aus Wien nach der Vertreibung 1670/71 in einer zeitgenössischen Darstellung

Juden in Niederösterreich von 1782 bis 1938

Eine Geschichte der Juden in Niederösterreich von der Toleranzzeit über die Entstehung der Gemeinden Mitte des 19. Jahrhunderts, bis zum Vorabend ihrer Zerstörung 1938 war lange Zeit ein Forschungsdesiderat. Deshalb wurde für diesen Zeitraum eine integrierte Geschichte der niederösterreichischen Juden und ihrer 15 Gemeinden erarbeitet, die politische, kulturelle, religiöse, soziale und wirtschaftliche Fragen berücksichtigt.

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Die Herkunft der ersten jüdischen Zuwanderer um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ebenso untersucht wie die Umstände, welche die Gemeindegründungen ermöglichten. Wie entwickelten sich die Gemeinden in den folgenden Jahrzehnten, wie wurde die Infrastruktur (Synagogen, Friedhöfe etc.) errichtet und wie konnten sich die Gemeinden in den folgenden Jahrzehnten etablieren? Eine Analyse der demographischen Entwicklung der jüdischen Bevölkerung Niederösterreichs bis 1938, sowie der Wirtschafts- und Sozialstruktur der IKG erlaubt den Vergleich mit anderen IKG in Österreich und Mitteleuropa.

Weiters wurde die Frage nach dem Grad der Integration von Juden in die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft sowie der IKG in das öffentliche Leben der Städte, in denen sie ihren Sitz hatten, untersucht. Probleme von Assimilation und Säkularisation sowie ihre Auswirkungen auf die IKG, beispielsweise in Hinblick auf Religionsaustritte oder Mischehen und daraus resultierende Unstimmigkeiten innerhalb der Gemeinden werden an Fallbeispielen aufgezeigt. Eine Analyse der Ergebnisse der Kultuswahlen, sowie ein Vergleich dieser Ergebnisse untereinander gibt Einblicke in die inneren politischen Verhältnisse der Gemeinden, wie auch die inneren Konflikte der IKG in religiösen Fragen. Ein Schwerpunkt lag außerdem in der Untersuchung des jüdischen Vereinswesens, ebenso wurden die Anfänge des Zionismus in Niederösterreich und seine Entwicklung untersucht.

Die Auseinandersetzungen der IKG und der niederösterreichischen Juden mit dem Antisemitismus sowie die Abwehraktionen der Gemeinden wurden in Hinblick auf die Folgen, die sie zeitigten, näher betrachtet.

Sachbearbeiter: |mail: Christoph Lind|

Publikation

Christoph Lind, „Kleine jüdische Kolonien. Juden in Niederösterreich 1782–1914“. Mandelbaum Verlag, Wien 2013.
|Weitere Informationen| 

Berichterstattung zum Projekt: |Die Presse, 11. März 2008|

Wir danken dem |Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung| für die Unterstützung!

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Die jüdische Frau im Spätmittelalter

Namhaft im Geschäft, unsichtbar in der Synagoge

Im 13. Jahrhundert hat die rechtliche und gesellschaftliche – nicht: sozial-religiöse! – Stellung der Frau im aschkenasischen Raum, Frankreich und Italien eine signifikante Verbesserung erfahren, sowohl in judenrechtlicher als auch in jüdisch-rechtlicher Hinsicht (Gerichtsfähigkeit, Mobilität, Bildung, Schutz vor Misshandlung, Erleichterung bei gewissen halachischen Sachzwängen wie z.B. Gefangenschaft).

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Der Grund dafür liegt in ihrer zunehmenden Bedeutung im Wirtschaftsleben von Stadt, Gemeinde und Familie. Auch wenn der Frauenanteil bei den Spitzendarlehen an österreichische Herrscher und Adelige nur etwa ein Zwanzigstel betrug, lässt sich der Status von jüdischen Frauen aus Oberschichtfamilien in Lebensweise und Möglichkeiten durchaus mit adeligen Frauen vergleichen. Bei Geschäften mit Handwerkern und Unterschichten waren Frauen regional signifikant hoch mit bis zum einem Drittel vertreten. Unter den Geschäftsfrauen finden sich, was nicht überrascht, zahlreiche Witwen, aber durchaus auch verheiratete Frauen.

Wenn auch die Machtstruktur der mittelalterlichen patriarchalischen Gesellschaft bei Juden wie bei Christen nicht grundlegend aufgebrochen werden konnte, war es doch einzelnen Frauen möglich, kraft ihres finanziellen Vermögens auch gemeindepolitische Macht zu erlangen – dieser Aspekt der jüdischen Geschichte wurde erst durch die Methoden der Gender Studies sichtbar. Frauen fungierten als Unterhändlerin, Steuereinnehmerin, Friedhofsverwalterin und in zwei Fällen sogar als Gemeindevorsteherin.

Im krassen Gegensatz zu diesem vielfach selbstbestimmten Leben stand der konsequente Ausschluss der Frauen vom Gemeindegottesdienst und Synagogenraum. Die Annahme liegt nahe, dass mit dieser Ausgrenzung versucht wurde, Frauen aus den letzten Bastionen der öffentlichen Ehre zu verdrängen. Hauptargument der Rabbiner war die Sittlichkeit der Frauen, über die sich das Ansehen der Männer definierte, und hier verblüfft die Parallele zu den Aussagen der christlichen Gelehrten. Andererseits internalisierten jüdische Frauen die ihnen zugeschriebene Rolle und verstärkten sie freiwillig. Möglicherweise orientierten sie sich an den heiligmäßigsten Frauen der christlichen Gesellschaft, den Nonnen, welche mit ganz ähnlichen Konzepten und baulichen Manifestationen aus dem Kirchenraum verbannt waren.
Unter diesem Aspekt ist die zunehmende Ausgrenzung der Frauen aus der Synagoge vielleicht eher als „Frömmigkeitswettbewerb“ der beiden Religionsgemeinschaften zu sehen und weniger als Gegenreaktion der männlichen Oligarchie auf weibliche Machtpositionen. „Nonnenklausur und Frauenschul“ – die Absonderung aus Gründen der Reinheit und Sittsamkeit sind vergleichbare Konzepte.

Das Projekt wurde in den Jahren 2002–2003 durch ein Charlotte Bühler-Stipendium des |FWF| gefördert.

Eine Möglichkeit zum Download eines Vortrags von PD Dr. Martha Keil im Rahmen der Ringvorlesung Liebeslust und Ehefrust an der Karl-Franzens-Universität Graz im April 2010 finden sie |hier|

Informationen: |mail: Dr. Martha Keil|


Publizierte Ergebnisse

Martha Keil, Aguna („die Verankerte“): Strategien gegen die Benachteiligung der jüdischen Frau im Eherecht (1400–1700). In: ASCHKENAS – Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden Jg. 17, Heft 2 (2007, erschienen 2010) 323–343.

Dies., Sittsam und mächtig: Jüdische Frauen im Spätmittelalter. In: Gerald Lamprecht (Hg.), „So wirkt ihr lieb und hilfsbereit...“. Jüdische Frauen in der Geschichte. Graz 2009 (Clio -historische und gesellschaftspolitische Schriften 8), 35–49.

Dies., Mobilität und Sittsamkeit: Jüdische Frauen im Wirtschaftsleben des spätmittelalterlichen Aschkenas. In: Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden (Hg. von Michael Toch, Schriften des Histori­schen Kollegs München, Kolloquien 71, München 2008), S. 153–180.

Dies., Schutzkreis und Fürbitten: Geburt und Tod bei Juden und Christen im mittelalterlichen Aschkenas. In: Chilufim. Zeitschrift für jüdische Kulturgeschichte 4 (2008), S. 59–78.

Dies., Unsichtbare Frauen oder: „...was nicht sein darf.“ Jüdische Geschäftsfrauen im Spätmittelalter als Forschungsobjekte. In: Zwischen den Zeilen. 20 Jahre Institut für jüdische Geschichte Österreichs (Juden in Mitteleuropa 2008), S. 40–49 |Download|

Dies., Geschäftsleben und Frauenrechte: die wirtschaftliche, rechtliche und sozio-religiöse Lage jüdischer und christlicher Frauen in Österreich, Kroatien und der Tschechischen Republik (13. bis 16. Jhdt.). Ein Werkstattbericht, in: Ein Thema – zwei Perspektiven, ebda., S. 307-317 |Download|

Dies., Jüdinnen als Kategorie? Judinne in obrigkeitlichen Urkunden des deutschen Spätmittelalters. In: Räume und Wege. Jüdische Geschichte im Alten Reich 1300–1800 (Hrsg. von Rolf Kießling, Peter Rauscher, Stefan Rohrbacher, Barbara Staudinger (Colloquia Augustana 25) Augsburg 2007, S. 335–361.

Dies., Unsichtbare Frauen oder „was nicht sein darf.“ Jüdische Geschäftsfrauen im Spätmittelalter als Forschungsobjekte. In: Beste aller Frauen. Weibliche Dimensionen im Judentum. Ausstellungskatalog (Hg. im Auftrag des Jüdischen Museums Wien von Gabriele Kohlbauer-Fritz und Wiebke Krohn, Wien 2007), 98-107.

Dies., „Und sie gibt Nahrung ihrem Haus“. Jüdische Geschäftsfrauen im spätmittelalterlichen Aschkenas. In: David. Jüdische Kulturzeitschrift, 17.Jg, Nr. 66 (Sept. 2005), S. 54–56 |Download|

Dies., „Und sie gibt Nahrung ihrem Haus“. Jüdische Geschäftsfrauen im spätmittelalterlichen Aschkenas. In: Europas Juden im Mittelalter. Hg. vom Historischen Museum der Pfalz Speyer. Speyer 2004, S. 83–89.

Dies., „She Supplied Provisions for her Household“. Jewish Business Women in Late Medieval Ashkenaz. The Jews of Europe in the Middle Ages. Edited by Historisches Museum der Pfalz Speyer, Speyer 2004, S. 83–89.

Dies., Lilith und Hollekreisch – Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett im Judentum des deutschen Spätmittelalters. In: Gabriele Dorffner, Sonia Horn (Hg.) Aller Anfang – Geburt, Birth , Naissance. Tagungsband der 5. Wiener Gespräche zur Sozialgeschichte der Medizin (2004) S. 145–172.

Dies., Namhaft im Geschäft – unsichtbar in der Synagoge: Die jüdische Frau im spätmittelalterlichen Aschkenas, in: Europas Juden im Mittelalter. Beiträge des internationalen Symposiums in Speyer vom 20. bis 25. Oktober 2002, hg. von Christoph Cluse. Trier 2004, 344–354

Dies., Public Roles of Jewish Women in Fourteenth and Fifteenth-Century Ashkenaz: Business, Community, and Ritual, in: The Jews of Europe in the Middle Ages (Tenth to Fifteenth Centuries): Proceedings of the International Symposium held at Speyer, 20-25 October 2002, hg. von Christoph Cluse, Turnhout: Brepols, 2004 (Cultural Encounters in Late Antiquity and the Middle Ages, 4) S. 317–330.

Dies., Projekte zu jüdischen Frauen im spätmittelalterlichen Aschkenas. In: Pardes Nr. 9 (Dezember 2004), S. 21–27.

Dies., Geschäftserfolg und Steuerschulden. Jüdische Frauen in österreichischen Städten des Spätmittelalters. In: Frauen in der Stadt. Hg. von Günther Hödl, Fritz Mayrhofer und Ferdinand Opll. (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas Band XVIII = Schriftenreihe der Akademie Friesach 7), Linz 2003, S. 37–62.

Dies., Rituals of Repentance and Testimonies at Rabbinical Courts in the 15th Century. In: Papers of the Workshop „Oral History in the Middle Ages“, ed. by Gerhard Jaritz. Budapest 2002, S. 159-170.

Dies., „Maistrin“ und Geschäftsfrau. Jüdische Oberschichtfrauen im spätmittelalterlichen Österreich. In: Sabine Hödl, Martha Keil (Hrsg.), Die jüdische Familie in Geschichte und Gegenwart. Bodenheim/Mainz 1999, S. 27–50.

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Kremser Ketubba, 1391/92. Bildarchiv ÖNB

Die jüdische Gemeinde St. Pölten (um 1850 bis heute)

Von 1996 bis 2002 erforschte ein Team des Instituts (Martha Keil, Matthias Lackenberger, Eleonore Lappin, Christoph Lind) die jüdische Gemeinde unseres Standortes von ihren Anfängen um 1850 bis zu ihrer Vernichtung 1940. Vor 1938 umfasste die Kultusgemeinde 1200 Mitglieder, in der Stadt selbst lebten etwa 400 Juden.

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Etwa ein Viertel der jüdischen Bevölkerung – 371 Personen sind bis jetzt namentlich erfasst – fiel dem Naziregime zum Opfer; sie sind auf einem Gedenkstein vor und einer Gedenkinstallation in der Synagoge verewigt. Nur drei Familien kehrten nach dem Krieg in ihre Heimatstadt zurück, heute leben noch zwei jüdische Menschen hier.

Auch wenn die beschädigte Synagoge, originalgetreu renoviert, im Jahr 1984 wiedereröffnet wurde, entstand doch keine Gemeinde mehr. Der Raum dient nur noch als Kulturzentrum. Der neuere jüdische Friedhof (ab 1906 belegt) ist instandgesetzt und wird von der Stadt gepflegt. Die stark baufällige Zeremonienhalle wurde im Jahr 2000 renoviert. Vom alten Friedhof hat kein einziger Stein die Zeit des Nationalsozialismus überstanden.

Intensive Forschungsarbeiten galten den Landgemeinden, in denen oft nur eine jüdische Familie lebte. Der Großteil betrieb das einzige Geschäft für Waren aller Art im Ort und lebte eine „vermischte“ Identität als Dorfbewohner mit städtischer Akkulturation. Während der Pogrome der Nazizeit zählten dann Nachbarn, Bekannte und Kunden zu den Tätern.

Die beiden Publikationen von Christoph Lind belegen die Verfolgung und Beraubung der Kultusgemeinde St. Pölten mit Arisierungs- und Restitutionsakten, Vermögensaufstellungen, Meldeunterlagen, Augenzeugenberichten und zahlreichen Listen der NS-Behörden. Das jüdische Leben wurde unwiederbringlich ausgelöscht.

Von November 1998 bis Jänner 1999 fand in der ehemaligen Synagoge die Ausstellung |„Es gab so nette Leute dort“|. Jüdische St. Pöltner 1850–1984 statt. Auf Einladung der Stadt St. Pölten, des Landes Niederösterreich und des Instituts waren 18 ehemalige St. Pöltner Jüdinnen und Juden mit ihren Familien bei der Eröffnung anwesend. Viele sahen einander zum ersten Mal nach 60 Jahren wieder.

Durch unsere Forschungen und die Beiträge unserer InterviewpartnerInnen konnte am Institut ein Foto- und Dokumentationsarchiv zur Kultusgemeinde St. Pölten aufgebaut werden, das für Interessierte zur Verfügung steht.

Zur Geschichte der St. Pöltner Juden siehe auch |Juden in St. Pölten|

Informationen: |mail: Martha Keil| und |mail: Christoph Lind|

Wir danken der Stadt St. Pölten, dem Land Niederösterreich und dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur für die Unterstützung!


Publikationen

Martha Keil, Christoph Lind, Spurensuche: Das jüdische St. Pölten. In: DAVID Zeitschrift für jüdische Kultur 19. Jg. Nr. 74 (Dezember 2007), S. 54–55. |Download|

Geschichte wieder herstellen? St. Pöltens jüdische Vergangenheit. Die Broschüre (35 S., zahlreiche Abb.), hrsg. von Martha Keil, St. Pölten 2000, ist um 3,60.– Euro am Institut erhältlich. Englische Ausgabe: „Restoring History? St. Pölten's Jewish Past.“ Zu bestellen unter (+43-2742) 77171-0 bzw. per |mail: hier|

Christoph Lind, „...sind wir doch in unserer Heimat als Landmenschen aufgewachsen“. Der Landsprengel der Israelitischen Kultusgemeinde St. Pölten: Jüdische Schicksale zwischen Wiener Wald und Erlauf. Jüdische Gemeinden. Schriftenreihe des Instituts für Geschichte der Juden in Österreich, Band 3, hg. von Martha Keil. Landesverlag, St. Pölten 2002, 1. Auflage, EUR 19,90. Zu bestellen unter (+43-2742) 77171-0 bzw. per |mail: hier|

Christoph Lind, „...es gab so nette Leute dort“. Die zerstörte jüdische Gemeinde St. Pölten. Jüdische Gemeinden, Bd. 1, hrsg. von Martha Keil und Eleonore Lappin. Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten 1998. Erhältlich um Euro 19.90.– im Buchhandel.

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Zeremonienhalle am jüdischen Friedhof St. Pölten

Der jüdische Friedhof von Graz: Erforschen – Bewahren – Erinnern

Ein Beitrag zur Kultur- und Sozialgeschichte der jüdischen Gemeinde von Graz im 19. und 20. Jahrhundert
Kooperationsprojekt

Nach der Shoah sind die jüdischen Friedhöfe Österreichs häufig die letzten Relikte und Zeugnisse einer weitgehend zerstörten jüdischen Kultur. Gegenwärtig tritt ihre Erhaltung und Pflege aufgrund der Auswirkungen der Vernichtung jüdischen Lebens aus einem rein innerjüdischen Kontext in den Bereich der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. Eine wissenschaftliche und öffentliche Beschäftigung mit ihnen trägt daher wesentlich dazu bei, dass jüdisches Leben und jüdische Kultur Teil des kollektiven Gedächtnisses bleiben.

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Abseits der erinnerungspolitischen Komponente ermöglicht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den jüdischen Friedhöfen Einblicke in die Kultur- und Sozialgeschichte der jüdischen Gemeinden. Eine Perspektive, die durch andere Quellen für die Zeit vor der Shoah nur eingeschränkt möglich ist.

Das  Projekt trugden wissenschaftlichen wie auch den erinnerungspolitischen Aspekten Rechnung. Zum einen hatte es im Sinne der Erhaltung und gesamtgesellschaftlichen Sichtbarmachung die photographische Dokumentation, die wissenschaftliche Aufnahme (Transkription), die kunsthistorische Beschreibung der gesamten Friedhofsanlage des Grazer jüdischen Friedhofes, seiner Bauwerke, Denkmäler und vor allem der Grabsteine zum Ziel. Zum anderen konnten mittels der historisch-biographischen Auswertung der Grabinschriften sowie der kultur- und kunstgeschichtlichen Analyse wichtige Erkenntnisse über die Sozialstruktur sowie die religiöse Orientierung und schließlich die identitäre Verankerung der jüdischen Gemeinde in der Grazer Gesellschaft gewonnen werden.

Ziel des Projektes war die Erstellung einer Kultur- und Sozialgeschichte der jüdischen Gemeinde von Graz in den letzten beiden Jahrhunderten. Die Ergebnisse des Projektes wurden in einer Publikation sowie in einer Photoausstellung präsentiert und somit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Darüber hinaus half das Projekt längerfristige Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Schulen und der Universität Graz zu entwickeln und in die Universitäts-, resp. Schulstruktur zu implementieren.

Weitere Informationen finden Sie |hier|

Gefördert aus Mitteln des |BMWF–Sparkling Science|


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Verfallener Grabstein am jüdischen Friedhof Graz

Der Jüdische Friedhof Währing

als Quelle zur Sozialgeschichte der Juden Wiens 1784–1874

Als Ergebnis eines Forschungsprojekts des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in den Jahren 1992–1998 wurde eine umfangreiche Datenbank erstellt.

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Sie enthält in 8.600 Einträgen Namen, Herkunftsort, Adresse, Beruf, Lebensdaten, Todesursache und Grabnummer von denjenigen Jüdinnen und Juden, die am Währinger Jüdischen Friedhof beerdigt sind. In einem Kooperationsprojekt mit der Bar Ilan Universität Tel Aviv werteten Shlomo Spitzer und sein Team die Grabsteininschriften aus.

Der Währinger jüdische Friedhof (Wien 18, Schrottenbachgasse) wurde im Zuge der Reformgesetzgebung Josefs II. angelegt, nachdem 1784 der alte jüdische Friedhof in der Seegasse geschlossen wurde. Aus hygienischen Gründen sollten Beerdigungen ab nun nur mehr außerhalb der Stadtmauern stattfinden. Bis 1874 diente dieser Friedhof für die Wiener jüdische Gemeinde als Gemeindefriedhof.

Mit der Gründung des Wiener Zentralfriedhofs, der als kommunale Einrichtung auch eine israelitische Abteilung enthält, wurde der Währinger Friedhof geschlossen. Er umfaßte ursprünglich an die 9500 Gräber, von denen heute noch 7000 erhalten sind. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft wurde ein Teil des Friedhofs durch Anlage eines Löschteichs zerstört.

Der Währinger Friedhof gilt als Pendant zum christlichen Biedermeierfriedhof St. Marx (die ursprüngliche Begräbnisstätte Mozarts) und ist ein bedeutendes Denkmal der Wiener Stadtgeschichte. Die Grabsteine sind in architektonischer wie auch in historischer Hinsicht bemerkenswert.

Informationen: |mail: Dr. Martha Keil|

Die auf dem Währinger Friedhof Beerdigten können auf der |Online-Datenbank der Israelitischen Kultusgemeinde Wien| (Friedhofs-Datenbank) gesucht werden.

Hier finden Sie |Informationen |zu Führungen und Schulprojekten.

Wir danken dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur für die Unterstützung


Publizierte Ergebnisse


Martha Keil (Hg.), Daniel Kaldori (Fotos): Von Baronen und Branntweinern. Ein jüdischer Friedhof erzählt. Wien 2007, 112 Seiten.

Martha Keil: „... enterdigt aus dem Währinger Friedhof“. Der jüdische Friedhof in Wien-Währing während des Nationalsozialismus. In: Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 61 (2005) S. 7–20.

Dies., Von Baronen und Branntweinern. Der Währinger jüdische Friedhof. In: Martha Keil, Elke Forisch, Ernst Scheiber, Denkmale – Jüdische Friedhöfe in Wien, Niederösterreich und Burgenland. Hrsg. von Club Niederösterreich, Institut f. Geschichte der Juden in Österreich, Wien 2006, S. 54–59.

EDUCULT. Institut für die Vermittlung von Kunst und Wissenschaft bietet als Publikation den Bildband „Währinger jüdischer Friedhof – Vom Vergessen überwachsen“ an. 

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Detail eines Grabsteins am jüdischen Friedhof Währing

Jüdisches Leben im ostgalizischen Dreieck 1860–1939

Als „ostgalizisches Dreieck“ ging jene ethnisch wie religiös heterogene Bevölkerung in die Geschichte ein, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts 49 östliche Bezirke des habsburgischen Kronlandes Galizien bewohnte. Ihre Erforschung wirft daher Fragen auf, die auch für aktuelle Gesellschaften höchst relevant sind: Welche sozialen wie individuellen Voraussetzungen bedingten ein dauerhaftes friedliches Nebeneinander, wie entstanden und manifestierten sich interkulturelle Konflikte, insbesondere die unterschiedlichen Formen von Judenfeindlichkeit, und welche Lösungsstrategien wurden gefunden?

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Während der behandelten acht Jahrzehnte umfasste die Bevölkerung Galiziens drei bis fünfeinhalb Millionen Menschen, 60 bis 66% griechisch-katholische Ukrainer, 20 bis 30% römisch-katholische Polen und zehn bis 13% Juden. Hinzu kamen kleine deutsche und armenische Einsprengsel. Das Projekt untersuchte das Leben ostgalizischer Juden mit ihren ukrainischen und polnischen Nachbarn in verschiedenen sozialen Räumen – in den Dörfern, kleineren wie größeren Städten und im Industriegebiet Boryslaw. Dafür wurden auf der einen Seite Bevölkerungs- und Wirtschaftsstatistiken, Verwaltungs-, Polizei- und Gerichtsakten herangezogen, auf der anderen Seite waren es Ego-Dokumente (Briefe, Tagebücher, Erinnerungen) und zeitgenössische literarische Texte, die alle drei Volksgruppen, aber auch bestimmte Orte, gesellschaftliche Milieus, individuelle Frauen- und Männerperspektiven repräsentieren. Sichtweisen und Wahrnehmungen einzelner Menschen wurden sowohl einander als auch bezifferbaren Parametern kritisch gegenübergestellt. Durch diese Bündelung des Subjektiven und Objektiven, des Individuellen und Kollektiven konnten die Formen des Zusammenlebens in den jeweiligen sozialen Räumen und unter den jeweiligen politischen und staatsrechtlichen Rahmenbedingungen verdeutlicht werden. Bis 1918 gehörte Ostgalizien der als Vielvölkerstaat definierten österreichischen Hälfte der Habsburgermonarchie an. Zwischen 1918 und 1939 lebten die galizischen Juden mit ihren ukrainischen und polnischen Nachbarn im polnischen Nationalstaat, dessen Gesamtbevölkerung allerdings zu einem Drittel aus Minderheiten bestand.

Die unterschiedlichen Lebenswelten wurden mit dem übergeordneten Begriff „Kultur“ erschlossen. Sie umfasst symbolische Ordnungen mit ihren Normen und Werten, Erfahrungen, Wahrnehmungs-, Denk- und Verarbeitungsweisen, die sich schließlich im Verhalten äußern. Kultur umfasst aber auch die unmittelbare Umwelt der Menschen, ihre wirtschaftliche und soziale Lage und ihre Lebensverhältnisse. Durch die Verbindung des lebensweltlichen Ansatzes und der sozialhistorischen Perspektive, durch die Überkreuzung unterschiedlicher Sicht- und Wahrnehmungsweisen wurdenSchieflagen und Blickverengungen vermieden.

Wie auch in heutigen Gesellschaften lebten die Akteure des ostgalizischen Völkerdreiecks in ihren drei Parallelwelten. Interkulturelle Kommunikation kam nur an bestimmten sozialen Orten zustande. Deshalb haben wir es meist mit drei voneinander isolierten historischen Narrativen zu tun. Das Projekt wirkte dieser Zerstückelung entgegen, indem es vor allem durch den gemeinsamen sozialhistorischen Kontext eine Annäherung an das Ganze ermöglichte. In diesem Kontext wurden die drei ethnisch-kulturellen Gemeinschaften und ihre sozialen Schichten im Laufe der behandelten acht Jahrzehnte miteinander verglichen.

Informationen: |mail: Dr. Svjatoslav Pacholkiv|

Wir danken dem| Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung| (FWF) für die Förderung des Projekts!

Bildinformation: Das Emigrantenhaus in Lemberg (1930) war eine gemeinsame Anlaufstelle für jüdische, ukrainische und polnische Auswandernde, die vorübergehend Unterkunft, sowie Beratung und Schulungen erhielten. Finanziert und gebaut wurde es durch jüdische, ukrainische und polnische Genossenschaften. © Zentrales Staatliches Historisches Archiv der Ukraine in Lemberg (CDIAUL), Fond 854 - Verband der Sozialorganisationen für Emigrantenbetreuung in Lemberg und |Nationales Digitalarchiv| (Narodowe Archiwum Cyfrowe)

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Emigrantenhaus in Lemberg, 1930 © Nationales Digitalarchiv

Jüdische Lebensräume

216 vom Historiker Albert Lichtblau im Auftrag des Instituts in den USA gesammelte Lebensgeschichten und Erinnerungen österreichischer Jüdinnen und Juden liegen – meistens in Kopie – am Institut auf. Dieses einzigartige Datenmaterial wurde von Dr. Eleonore Lappin-Eppel systematisch ausgewertet.

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Zuletzt geschah dies im Rahmen des Projekts Alltag, Religion, Kultur, Politik: Jüdische Lebensräume in Wien 1918 – 1939, welches vom Zukunftsfonds der Republik Österreich und von der MA7 – Wissensschaft der Stadt Wien gefördert wurde. Ziel des Forschungsprojekts war es aufzuzeigen, wie Wiener Jüdinnen und Juden während der Ersten Republik, zur Zeit des autoritären Ständestaats und unter der NS-Herrschaft bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Wien lebten. Einerseits zeigte sich eine umfassende kulturelle und wirtschaftliche Integration, andererseits wurden aber auch die verbliebenen gesellschaftlichen Schranken, bewirkt durch den Antisemitismus, sichtbar.

Methodischer Ansatz dieses Projekts war, narrative Muster und die sprachlich geformten Bilder über die Vergangenheit in den geschriebenen Lebenserinnerungen zu erkennen und zu interpretieren. Um einen möglichst breiten Erkenntnisgewinn zu garantieren, wurde eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Methoden gewählt.

Die quantifizierende Methode sollte allgemeine Schlüsse ermöglichen. Dies bezog sich nicht nur auf strukturelle Fragen hinsichtlich der Zusammensetzung der Autorenschaft (Geburtsjahrgänge, Geburtsorte, Bildungsgrad, soziale Schichtung, Fluchtwege und Asylländer), sondern auch auf die Lokalisierung religiöser und politischer Orientierungen und die von den Autorinnen und Autoren vorgenommenen Bewertungen einzelner Aspekte ihres Lebens, wie z.B. des Antisemitismus oder der Religion. Durch die Klassifikation und quantifizierende Zusammenschau konnten die Aussagen gewichtet werden.

Autobiographien sind so genannte „weiche Quellen“, also Quellen, die subjektive Wahrnehmungen und Erfahrungen wiedergeben und damit zunächst nicht auf ihren objektiven Wahrheitsgehalt hin beurteilt werden können. Im Englischen werden etwa die Begriffe „History“ und „Memory“ zur Unterscheidung unterschiedlicher Perspektiven auf die Vergangenheit verwendet, auch im Deutschen wird von „Geschichte“ und „Gedächtnis“ gesprochen bzw. sollte hier zwischen „Geschichte“ und „Geschichtsbildern“ unterschieden werden. Für die Analyse von Lebenserinnerungen wurde der Begriff der „Narrativität“ eingeführt.

Es wurde davon ausgegangen, dass es einen Unterschied macht, wann, wo und für wen die Texte verfasst wurden, wer also das Zielpublikum im Moment des Schreibens war. Weiters wurde von der These ausgegangen, dass die erlittenen NS-Erfahrungen den retrospektiven Blick wesentlich formten. Dieser These zufolge macht es einen Unterschied, ob den Autorinnen und Autoren die Flucht mit ihrer Kernfamilie gelungen ist oder ob nächste Familienmitglieder und Partner im Nationalsozialismus ermordet wurden bzw. im KZ interniert waren.

Die Art der Beziehung zu Österreich nach Ende des Zweiten Weltkriegs wirkte sich auf die Beschreibung des früheren Lebens in diesem Land aus. Dejenigen, denen es gelang, nach 1945 durch Reisen und mittels persönlichen Beziehungen einen erneuten positiven Kontakt zu Österreich herzustellen, beurteilen iht Leben bis zum Nationalsozialismus anders als jene, die jeglichen Kontakt zur ehemaligen Heimat abgebrochen haben. Eine Änderung der politischen oder religiösen Orientierung im späteren Leben formte die retrospektive Beschreibung ebenfalls grundlegend und musste deswegen für die Analyse der Texte unbedingt mitberücksichtigt werden. Weitere wichtige Analyse-Kriterien waren der Einfluss der Akkulturation und Herkunft, der Generation und des realen und sozialen Geschlechts.

Informationen: |mail: Injoest|

Wir danken dem Zukunftsfonds der Republik Österreich, der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank für die Förderung dieses Projekts!


Publikationen

Eleonore Lappin-Eppel, Zions Töchter – Mädchen in der Zionistischen Jugendbewegung. In: Gerald Lamprecht (Hg.), „So wirkt ihr lieb und hilfsbereit ...“ Jüdische Frauen in der Geschichte (CLIO gesellschaftspolitische Schriften, Bd. 8), Graz 2009, S. 83–104.

Eleonore Lappin, Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit. In: Frank Stern, Barbara Eichinger (Hrsg.), Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938. Akkulturation – Antisemitismus – Zionismus. Wien–Köln–Weimar 2009, S. 17–39.

1938. Auftakt zur Shoah in Österreich. Orte – Bilder – Erinnerungen. Hrsg. von Dieter J. Hecht, Eleonore Lappin, Michaela Raggam-Blesch, Lisa Rettl und Heidemarie Uhl. Milena Verlag Wien 2008 . 48 Seiten.

Eleonore Lappin, Fanny von Arnstein and her Biographer Hilde Spiel. In: Judit Gazsi, Andrea Petö und Zsuzsanna Toronyi (Hrsg.), Gender, Memory and Jewish Women in Contemporary Europe (Studien zur Geschichte Ost- und Ostmitteleuropas, Bd. 6). Budapest-Herne 2007, S. 89–104.

Eleonore Lappin, Endbericht des Projekts „Wien 1918–1938. Die retrospektive Perspektive österreichisch-jüdischer Autobiographien“ (ungedr.). St. Pölten 2006.

Jüdische Lebensgeschichten. Erinnertes Leben – Erzähltes Gedächtnis (Juden in Mitteleuropa 2006). Download

Albert Lichtblau (Hg.), Als hätten wir dazugehört – österreichisch-jüdische Lebensgeschichten aus der Habsburgermonarchie. In Zusammenarbeit mit dem Leo Baeck Institute, New York und dem Institut für Geschichte der Juden in Österreich. Wien-Weimar 1999.

Publizierte Autobiografien jüdischer ÖsterreicherInnen
|Augenzeugen berichten|
|Spuren in der Zeit|

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Jüdische Presseforschung

Bis 1938 beschränkte sich die deutsch-jüdische Presseforschung, also die wissenschaftlich-kritische Befassung mit dieser Presse, auf Rezension sowie historische Darstellungen einzelner Periodika und pressebezogenen Biographien, die meist von JournalistInnen verfasst in den Zeitschriften selbst erschienen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Wert der jüdischen Presse als einer der wichtigsten Quellen der jüdischen Historiografie erkannt. Damit erfuhr die Presseforschung eine eindrucksvolle Erweiterung ihres thematischen Spektrums.

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Jüdische Periodika wurden nun nicht nur pressgeschichtlich, sondern auch quellenkritisch untersucht. Sie dienten als Quellen bei der Erforschung der Herausbildung jüdischer Identität(en), Ideologien sowie religiöser, kultureller und politischer Strömungen. Die jüdische Presse reflektierte aber auch die Beziehungen zur Umwelt ebenso wie innerjüdische gesellschaftliche Entwicklungen. Jüngste Forschungen betrachten die Presse nicht mehr nur als Spiegel, sondern als Faktor bei der Gestaltung jüdischer Geschichte und Kultur.

Jüdische Presseforschung bedient sich heute einer Vielfalt historischer, literatur-, sprach- und kulturwissenschaftlicher Methoden. Einer wissenschaftlichen Analyse dieser Quelle muss jedoch häufig die mühsame Arbeit der Auffindung und Erschließung vorangehen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die erstaunlich große Zahl an jüdischen Zeitungen, Zeitschriften, Jahrbüchern, Almanachen, Kalendern und anderen periodischen Publikationen und deren häufige Kurzlebigkeit dar. Wie bei der Erforschung jüdischer Geschichte im Allgemeinen ist auch bei der jüdischen Presseforschung die Vielsprachigkeit der Quellen eine Erschwernis, die nur mittels internationaler Forschungskooperationen und Konferenzen gemeistert werden kann.

Bearbeiterin: Dr. Eleonore Lappin-Eppel
Anfragen an: |mail: Injoest|

|Deutsch-jüdische Periodika aus dem 18.-20. Jahrhundert im Volltext.|

Kooperationen
|Deutsche Presseforschung, Universität Bremen|
|Arbeitskreis Czernowitzer Presse|
|The Koebner Minerva Center for German History| Hebrew University of Jerusalem


Publikationen

Eleonore Lappin, Michael Nagel (Hg.), Deutsch-jüdische Presse und jüdische Geschichte: Dokumente, Darstellungen, Wechselbeziehungen / German-Jewish Press and Jewish History: Documents, Representations, Interrelations (Die jüdische Presse. Kommunikationsgeschichte im europäischen Raum hg. von Susanne Marten-Finnis und Michael Nagel, Bd. 6 und 7, zugleich Presse und Geschichte – Neue Beiträge hg. von Holger Böning, Michael Nagel und Johannes Weber, Bd. 37 und 38), Bremen 2008. |Weiterführende Informationen|

Eleonore Lappin, Zwischen den Fronten: Das Wiener Jüdische Archiv. Mitteilungen des Komitees „Jüdisches Kriegsarchiv“ 1915–1918. In: ebd., S. 229–246.

Eleonore Lappin, Michael Nagel (Hg.), Frauen und Frauenbilder in der europäisch-jüdischen Presse von der Aufklärung bis 1945. (Die jüdische Presse. Kommunikationsgeschichte im europäischen Raum hg. von Susanne Marten-Finnis und Michael Nagel, Bd. 3, zugleich Presse und Geschichte – Neue Beiträge hg. von Holger Böning, Michael Nagel und Johannes Weber, Bd. 29), Bremen 2007.

Eleonore Lappin, Befreiung der Jugend – Befreiung der Frauen Siegfried Bernfeld und die Zeitschriften „Der Anfang" und „Jerubbaal“. In: Ebenda, S. 141–160.

Dies., Fakten und Propaganda in der zionistischen Presse am Beispiel der Monatsschrift „Der Jude“. In: Susanne Marten-Finnis und Markus Bauer (Hg.), Die jüdische Presse – Forschungsmethoden – Erfahrungen – Ergebnisse. (Die jüdische Presse. Kommunikationsgeschichte im europäischen Raum hg. von Susanne Marten-Finnis und Michael Nagel, Bd. 2 zugleich Presse und Geschichte - Neue Beiträge hg. von Holger Böning, Michael Nagel und Johannes Weber, Bd. 28), Bremen 2007, S. 159-178.

Dies., Von der Heimstätte zum Judenstaat: Die Darstellung des Aufbaus des jüdischen Palästina in der Wiener zionistischen Presse 1928-1938. In: Susanne Marten-Finnis, Markus Winkler (Hg.), Die jüdische Presse im europäischen Kontext 1686–1990. Bremen 2006 (= Die jüdische Presse – Kommunikationsgeschichte im europäischen Raum, Bd. 1; zugleich: Presse und Geschichte – Neue Beiträge, Bd. 21), S. 209–222.

Dies., Martin Buber: Zionismus und Chassidismus. In: Manfred Voigts (Hg.), Von Enoch bis Kafka. Festschrift für Karl E. Grötzinger, Wiesbaden 2002, S. 183-204.

Dies., The Position of Martin Buber's Monthly Der Jude within the Zionist Movement. In: World Union for Jewish Studies (ed.), Proceedings of the Twelfth World Congress of Jewish Studies, Division E, Contemporary Jewish Society, Jerusalem 2001, pp. 33-44.

Dies., Der Jude - Jewish Renaissance in Central Europe. In: Susanne Marten-Finnis, Matthias Uecker (Hg.), Berlin, Wien, Prag. Moderne, Minderheiten und Migration in der Zwischenkriegszeit / Modernity, Minorities and Migration in the Inter-War Period, Peter Lang, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt/Main, New York, Oxford, Wien 2001, S. 255-270.

Dies., Überlegungen zu jüdischer Erziehung in Martin Bubers Monatsschrift Der Jude, in: Menora – Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte 12 (2001), S. 259–284.

Dies., Jüdische Moderne zwischen Partikularismus und Universalismus dargestellt anhand Martin Bubers Monatsschrift „Der Jude“ (1916–1928), Tübingen 2000.

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Jüdische Stifter und Mäzene

Dieses Forschungsprojekt untersuchte die vor allem im 19. Jahrhundert besonders häufigen jüdischen Stiftungen und Schenkungen. Das Philantropen- und Mäzenatentum der Wiener Juden zeigt den Versuch, sich durch sozialpolitisches Engagement Anerkennung in der bürgerlichen Gesellschaft zu schaffen.

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Das Projekt konzentrierte sich nicht nur auf die großen und bekannten, sondern beschäftigte sich vor allem auch mit den zahlreichen von Kleinbürgern errichteten Stiftungen. Sie ermöglichten die Erhaltung verschiedener sozialer Einrichtungen.

Die Stiftungsbestimmungen zeigten, welche Einrichtungen und Personen die Stifter für förderungswürdig erachteten, wie sie also die sozialen Zustände bewerteten. Besonders deutlich wurde dies bei Stiftungen für bestimmte Berufsgruppen, bei Firmenstiftungen oder bei solchen für verarmte Angehörige.

Information: |mail: Injoest|

Wir danken dem Jubiläumsstiftungsfonds der Österreichischen Nationalbank für die Unterstützung

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Vom Kahal zur Israelitischen Kultusgemeinde Galizische Juden 1772–1790

Dieses Projekt erforschte den Übergang der galizischen Judengemeinden von der Kahal-Organisation in Polen-Litauen, welche mit übergreifenden politischen und fiskalischen Befugnissen ausgestattet war, zu den selbstständigen Israelitischen Kultusgemeinden in der Habsburgermonarchie.

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Ausgangssituation war die Rechtslage galizischer Judengemeinden vor 1772, welche auf den Privilegien polnischer Könige beruhte. Eine Übergangszeit bildete die Regierung Maria Theresias und ihre galizische Judenordnung von 1776.

Besonders ausführlich wurde die Reformzeit unter Joseph II. erforscht : Voraussetzung für alle weiteren Maßnahmen war die galizische Judenkonskription von 1782–83 und die Zuteilung „deutscher“ Namen, wodurch die jüdische Bevölkerung vom absolutistischen Staat erfasst wurde. Damit wurde ihre direkte Besteuerung ohne Vermittlung der Kahale möglich, und auch die Einberufung jüdischer Männer zum Militärdienst. Dem folgte die Aufhebung der innerjüdischen rabbinischen Gerichtsbarkeit und der autonomen Kahal-Organisation. Das galizische Toleranzpatent vom 7. Mai 1789 löste die Kahale durch sogenannte „Judengemeindevorstände“ ab. Jüdische Gemeinden galten nun ausschließlich als politisch den Ortsgemeinden untergeordnete „religiöse Innungen“. Die Josephinische galizische Judenordnung von 1789 untersagte schließlich jeden Zusammenschluss oberhalb der Ebene einzelner Gemeinden.

Die Juden Galiziens nahmen diese Veränderungen vor allem als Einschränkung ihrer Rechte und massive Einmischung des Staates in ihr Leben wahr. Ihr Gemeindewesen wurde weitgehend atomisiert. Die Folgen Josephinischer Reformen waren weitreichend: Sie beeinflussten kulturelle und religiöse Selbstidentifikationen, politische Partizipation sowie die gesamte soziale und wirtschaftliche Entwicklung galizischer Juden im 19. Jahrhundert.

Finanziert durch ein |Lise Meitner-Stipendium des FWF| (M1087-G08)

Information: |mail: Dr. Svjatoslav Pacholkiv|


Publikationen

Svjatoslav Pacholkiv, Das ukrainisch-jüdische Zusammenleben in Galizien und die Konstruktion des Nationalen. In: Die Ukraine. Prozesse der Nationsbildung vom 19. bis 21. Jahrhundert, ed. Andreas Kappeler. Wien-Köln-Weimar 2011, S. 231–244.

Social Implications of the Incorporation of Galicia into the Habsburg Realm. In: Social Change in the Habsburg Monarchy: The Era of Enlightenment – Les transformations de la société dans la monarchie des Habsbourgs: l'époque des Lumières, ed. Harald Heppner, Peter Urbanitsch, Renate Zedinger. Bochum 2011.

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Koscher im Krieg. Die Lebensmittelversorgung der jüdischen Bevölkerung in Niederösterreich 1914-1918

FTI-Projekt, Forschungsverbund Nahrung

Der Kriegsbeginn erhöhte den Bedarf an koscherer Kost im Kronland enorm. Bereits ab September 1914 flohen hunderttausende vielfach orthodoxe und damit observante Juden und Jüdinnen aus Galizien und der Bukowina vor dem Vormarsch der russischen Armeen in das Innere der Monarchie, nach Böhmen, Mähren und Niederösterreich sowie Zigtausende nach Wien. In den ersten Wochen und Monaten wurden aber auch Tausende auf dem Land untergebracht. Noch 1914 begannen die Behörden mit der Errichtung eines großen Flüchtlingslagers in Bruck an der Leitha, das auch über eine eigene Synagoge verfügte. In der ersten Hälfte des Jahres 1915 scheint der Großteil der Flüchtlinge außerhalb Wiens in dieses (und andere, wahrscheinlich mährische) Lager eingewiesen worden zu sein. Etwa ein Viertel der ca. 5000 Menschen fand bei Verwandten Aufnahme.

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Die Grundversorgung der Flüchtlinge wurde ganz bewusst nicht von den Kultusgemeinden (IKG) wahrgenommen, da man dies, wie alle übrigen Religionsgemeinschaften auch, als Aufgabe des Staates betrachtete. Die zahlreichen jüdischen Soldaten und Verwundeten aus allen Teilen der Monarchie wurden aber vor allem zu den hohen Feiertagen von den IKG, Vereinen oder Privatpersonen eingeladen, während Armee und Behörden die koschere Grundversorgung gewährleisteten. Ein Forschungsschwerpunkt lag somit auf dieser "jüdischen Zivilgesellschaft", an der auch die Frauen aktiv teilhatten, ein weiterer auf die Lieferung koscherer Lebensmittel durch grenznahe ungarische Gemeinden, trotz der strengen Maßnahmen gegen Lebensmittelschmuggel.

Ab Winter 1916/17 herrschte allgemein Nahrungsmittelknappheit und Hunger. Ob noch die Möglichkeit zu koscherem Essen bestand, wurde ebenso untersucht wie die Auswirkungen von Schwarzmarkt und Nahrungsmittelteuerung auf Propaganda und Judenhetze. Für diese Themen wurden sowohl Akten zur Kriegsflüchtlingsfürsorge und Marktaufsicht als auch jüdische und nichtjüdische Zeitungen herangezogen.

Ein Projektbericht ist derzeit in Bearbeitung.

Sachbearbeiter: |mail: Dr. Christoph Lind|

Finanziert durch die |FTI-Strategie des Landes Niederösterreich|

In Kooperation mit
|Institut für Geschichte des ländlichen Raumes|
|Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit der Universität Salzburg|
|Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung/Außenstelle Raabs|

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Koscher in Wien 1848–1918. Produktion und Konsum

Kaschrut (rituelle Tauglichkeit) ist ein umfassendes Konzept des Judentums, das auch sämtliche Speisevorschriften beinhaltet. Die koschere Lebensgestaltung ist eine Säule jüdischer Religionspraxis, Lebensgestaltung und Identität. Zwar lässt sich nicht feststellen, zu welchem Prozentsatz die jüdische Gemeinschaft – ab 1852 die Israelitische Kultusgemeinde – in Wien koscher gelebt hat, doch ist davon auszugehen, dass für einen relevanten Teil ihrer 1910 ca. 175.000 Mitglieder in mehr oder weniger großem Ausmaß ein Bedarf an koscherer Nahrung bestand. Das vorliegende Projekt untersuchte daher aus historischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive die Bedingungen einer koscheren Infrastruktur in einem nichtjüdischen Umfeld: die Produktion, das Koscher-Machen, den Handel und den Verzehr.

Erstmals wurde die Versorgung der jüdischen Bevölkerung Wiens mit koscherer Nahrung untersucht, und zwar ab der freien Zuwanderung 1848 bis zur Ausrufung der Ersten Republik 1918. Es wurde nicht nur die Einfuhr von Agrarprodukten, die aufgrund mangelnder Anbauflächen für ganz Wien notwendig war, sondern auch die koscher produzierenden Betriebe der Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie der koschere Lebensmittelhandel näher beleuchtet. Im breiten Themenraum des Endverbrauchs und Verzehrs waren einerseits innerjüdische Fragen rund um die Observanz der Speisegesetze in einem nichtjüdischen Umfeld und angesichts der zunehmenden Akkulturation zu untersuchen. Andererseits trugen auch die technischen Errungenschaften in den privaten Haushalten zu Veränderungen in der koscheren Lebenspraxis bei. Über den privaten Raum hinaus wurde der Frage nachgegangen, wie dem Bedarf an koscherer Kost in nichtkonfessionellen öffentlichen Institutionen wie Krankenhäusern, Schulen und Gefängnissen Rechnung getragen wurde.

 

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Die große Krisenzeit des Untersuchungszeitraums, der Erste Weltkrieg, brachte die Stadt nicht nur bezüglich der Versorgung mit koscheren Lebensmitteln an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Untersucht wurde deshalb auch, welche koscheren Nahrungsmittel im weiteren Kriegsverlauf überhaupt noch erhältlich bzw. bezahlbar waren. Auch die Versorgung mit ritueller Kost beim Militär, sowohl für die Armee als auch für Kriegsgefangene und in Flüchtlingslagern, wurde im Rahmen des Vorhabens erforscht .

Methodisch basierte die Bearbeitung der Thematik auf dem methodischen Konzept der „Kontaktzonen“, die sich aus dem „spatial turn“ seit den 1990er Jahren entwickelt haben – die Kategorie „Raum“ trat (wieder) neben die Kategorie „Zeit“. Aus dem „Raum“ und seinen Grenzen ergaben sich unterschiedliche „Kontaktzonen“, die aus der Interaktion von jüdischen und nicht-jüdischen Akteurinnen und Akteuren aller Bereiche der koscheren Lebensführung konstituiert und sichtbar wurden. Diese Zonen umfassten die landwirtschaftliche Produktion, den Verkauf und Verzehr sowie Märkte und Militär. Für die historische und kulturwissenschaftliche Forschung öffnen sich hier somit unterschiedliche geographische, gesellschaftliche und kulturelle Räume, die von Juden und Nichtjuden gemeinsam, aber auch in Abgrenzung voneinander genutzt wurden.

Eine Monographie zur Thematik ist in Vorbereitung.

Informationen: |mail: Dr. Christoph Lind|

Wir danken dem Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank und dem Land Niederösterreich für die Unterstützung des Projekts!

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Koschere Lederhosen, jüdische Dirndln. Das Tragen von Tracht als Repräsentation der Zugehörigkeit?

Themenbereich „Kleidung”

In allen Epochen der Menschheitsgeschichte diente Kleidung zur Repräsentation innerhalb der eigenen Gruppe und nach außen, ist identitätsstiftend und demonstriert Zugehörigkeit oder das Bestreben danach. Die zahlreichen Fotos von Jüdinnen und Juden, die sich in ländlichen Gebieten in Tracht abbilden ließen, drücken das Bedürfnis nach Akzeptanz, aber auch Heimatliebe und Verbundenheit aus. Ein mögliches Motiv mag auch eine gewisse Distanzierung zur ihnen als „typisch jüdisch“ zugeschriebenen Urbanität gewesen sein.

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Jüdische Volkskundler wie der aus einer großbürgerlichen Wiener Familie stammende Konrad Mautner waren Experten für Tracht und ländliche Textilien. Nicht zufällig gehörte das Verbot für Juden und Jüdinnen Tracht zu tragen zu den ersten antijüdischen Verordnungen nach dem „Anschluss“. Ein wichtiger „Ort“ für „jüdische Dirndln“ im topographischen und symbolischen Sinn war die „Sommerfrische“, die auch in zahlreichen Orten Niederösterreichs verbracht wurde.

Der Themenbereich, der eng mit dem zur „Bewegten Mode“| zusammenarbeitete, untersuchte diese Fragen anhand von Bildquellen in den jüdischen Museen, den Landessammlungen NÖ und im Volkskundemuseum Wien sowie von Lebenserinnerungen und autobiographischen Aufzeichnungen, die als Videos und Audios, als Publikation oder Manuskript zur Verfügung stehen.

Projektbearbeiterin: |mail: Merle Bieber, MA |
Siehe auch Projekt |Mobile Dinge, Menschen und Ideen| bzw. |www.mobiledinge.at|

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Max Grunwald und die „Erfindung des Jüdischen“

Das Forschungsprojekt befasste sich am Beispiel des Wiener Rabbiners und Historikers Max Meir Grunwald (1871–1953) mit einem bisher von der Forschung nur wenig beachteten Aspekt kultureller und religiöser Identität. Das Judentum des Fin de Siècle wird zumeist als eine in zwei Teile gespaltene Minderheit dargestellt: Eine „assimilierte" Gruppe bürgerlicher Juden steht den „orthodoxen“ jüdischen MigrantInnen aus Osteuropa gegenüber.

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Der Gegensatz „assimiliert" und „orthodox“ mit allen seinen positiven und negativen Assoziationen verstellt allerdings den Blick auf eine Identität, die einerseits traditionell orientiert war, sich aber andererseits auch durchaus als modern verstand – eine Selbstverortung, die heute noch jüdisches Leben in weiten Teilen prägt. Sie spiegelt sich nicht nur in der Biographie Max Grunwalds wider, dem Ehemann von Margarethe Bloch, der Tochter des streitbaren Rabbiners und Abgeordneten Samuel Bloch. Grunwald war Rabbiner, Historiker und Erfinder der jüdischen Volkskunde und Gründer des Hamburger Jüdischen Museums. Seine komplexe Identität zeigt sich auch allgemein in einer Neuinterpretation jüdischer Geschichte zwischen moderner Wissenschaft und Folkloristik. Einzuordnen und zu kontextualisieren ist daher auch das historiographische Werk Grunwalds und seine Entstehungsbedingungen und dessen Stellung in der jüdischen Historiographie des frühen 20. Jahrhunderts.

Im Spiegel von Historiographie als Identitätsstifter stellte das Forschungsprojekt die Frage nach der Mehrschichtigkeit und durchaus auch Widersprüchlichkeit religiöser und kultureller jüdischer Identitäten. Die „Erfindung“ des Jüdischen und damit eine Vorstellung davon, was jüdisch sein soll, wurde und wird dabei nicht nur über die Geschichtsschreibung vermittelt, sondern in einem wesentlichen Teil auch an Museen, den Orten der Konstruktion und Vermittlung kulturellen Gedächtnisses.

Geschichte der Geschichtsschreibung, Museumsgeschichte und die Frage nach Erinnerungsorten und -praktiken bilden die Kontexte, in denen nach verschiedenen Identitäten gefragt wurde. Bereits wegen der biographischen Daten Grunwalds, dessen Weg unter anderem über Hamburg und Wien nach Jerusalem führte, verweist darauf, dass jüdische Geschichte hier nicht als Teil einer lokalen, regionalen oder nationalstaatlichen Geschichte abgehandelt werden kann, sondern in der transnationalen Geschichte zu verorten ist.

Informationen: |mail: Barbara Staudinger|

Das Projekt wurde im Rahmen des Programms „Dynamische Qualitätssicherung Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften“ des |Ministeriums für Wissenschaft und Forschung| finanziert.


Publikationen

Barabara Staudinger, Von Dreideln, Mazzes und Beschneidungsmessern. Jüdische Dinge im Museum. Ausstellungskatalog (hg. gem. mit Birgit Johler). Wien 2011

Dies., Der kategorisierende Blick: „Jüdische Volkskunde“ und die Verortung des Judentums. In: Birgit Johler, Barbara Staudinger (Hrsg.), Ist das jüdisch? Die „Jüdische Volkskunde“ in historischer Perspektive. Wien (Buchreihe der Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde). Wien 2010

Dies., Die Volkskunde und das Jüdische – die „Jüdische Volkskunde“. Eine Standortbestimmung (gem. mit Birgit Johler). In: Birgit Johler, Barbara Staudinger (Hrsg.), Ist das jüdisch? Die „Jüdische Volkskunde" in historischer Perspektive. Wien (Buchreihe der Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde). Wien 2010

Dies., Collecting Identities: Max Grunwalds (1871–1953) jüdisches Wien. In: Martin Scheutz, Vlasta Valeš (Hrsg.), Wien und seine WienerInnen. Ein historischer Streifzug durch Wien über die Jahrhunderte. Festschrift für Karl Vocelka zum 60. Geburtstag. Wien, Köln, Weimar 2008, S. 235–252

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Namen, Gräber und Gedächtnis

Die „Heil- und Pflegeanstalt” Mauer Öhling während der NS-Zeit
Top Citizen Science-Projekt
(1.8.2019-30.4.2020)

Nach der Beendigung der sogenannten „Aktion T4“ im August 1941, bei der rund 1.300 Patientinnen und Patienten der „Heil- und Pflegeanstalt“ Mauer-Öhling nach Hartheim bei Linz deportiert und vergast wurden, wurde anstaltsintern weiter gemordet. Die Sterblichkeitsrate stieg drastisch an, von ca. fünf Prozent in der Vorkriegszeit auf 18 Prozent bis Jahresende 1943. Der reguläre Anstaltsfriedhof, dessen Fläche mit 1.000 Grabstellen seit der Gründung problemlos ausgereicht hatte, stieß so an seine Kapazitätsgrenzen, obwohl die Gräber bereits nach neun Jahren wiederbelegt wurden. Im Juni 1944 wurde daher begonnen, ein im Nord-Nordosten der Friedhofsmauer entlang der Straße Amstetten-Waidhofen gelegenes Waldstück zu roden, um den Friedhof um rund 300 Grabstellen in fünf Doppelreihen zu erweitern.

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Die ersten ab 10. November 1944 auf diesem Gelände Begrabenen waren Opfer der Euthanasiemorde der Anstaltsärzte Dr. Emil Gelny und Dr. Josef Utz. Insgesamt wurden bis Kriegsende weitere 190 Patientinnen und Patienten getötet und auf dem „Neuen Teil“ in Massengräber – bis zu neun Personen pro Schacht – geworfen. Bis 8. Mai 1945 wurden insgesamt 275 Tote auf dem Gelände beerdigt. Der erweiterte Friedhofsteil wurde in den 1980er Jahren aufgelassen und auf die Grabreihen Fichten gepflanzt, die mittlerweile aber aufgrund von Borkenkäferbefall wieder gerodet werden mussten. Heute ist die Fläche leer. Ohne Hinweis auf seine kontaminierte Geschichte harrt das Gelände nach wie vor einer angemessenen Gestaltung.

Die vergessenen Massengräber des Anstaltsfriedhofs waren der Ausgangspunkt unseres Citizen Science-Projekts. Das Interesse war überwältigend: Mehr als 400 Personen besuchten die Veranstaltungen und Präsentationen in Amstetten und St. Pölten, viele brachten sich in die intensiven Diskussionen ein. 13 Citizen Scientists – Angehörige von Opfern, Mitarbeiter/innen des Landesklinikums Mauer und Regionalhistoriker –  übernahmen, angeleitet durch das Projektteam, eigenständige Forschungsaufgaben. Stellvertretend für die Massengräber wurde das Grab Nummer 64 ausgewählt, das sich aufgrund einer noch vorgefundenen Marke örtlich zuordnen lässt. Ausgehend von ihren persönlichen Interessen erforschten die Citizen Scientists die Biographien und Schicksale von fünf darin Beerdigten sowie sieben weiteren NS-„Euthanasie“-Opfern – aus der eigenen Familie, dem eigenen Wohnort oder aus unterschiedlichen Opfergruppen. Ein Teilnehmer wertete die entsprechenden Informationen in der Pfarrchronik von Mauer-Öhling aus, ein weiterer untersuchte die für einige Insassen todbringende Räumung der Altersheime im Bezirk Amstetten.
Das Engagement der Citizen Scientists zeigt Wirkung: gemeinsam mit dem Landesklinikum Mauer wird über eine würdige Gestaltung des Anstaltsfriedhofs nachgedacht.

|Endbericht|

Projektleitung: |mail: PD Dr. Martha Keil
ProjektmitarbeiterInnen: |mail: Dr. Wolfgang Gasser|, |mail: Dr. Philipp Mettauer|, |mail: Tina Frischmann, BA|

Kooperationspartner: |mail: Dr. Thomas Buchner| (Stadtarchiv Amstetten)

In Kooperation mit der |Stadt Amstetten |und dem |Landesklinikum Mauer|. Gefördert durch das |Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung|.

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Der Anstaltsfriedhof von Mauer-Öhling im Mai 1945 © Luftbilddatenbank Dr. Carls GmbH

Odyssee des Friedens neu erzählen

Qualitative Forschung im Kunstunterricht

Im zweijährigen Erasmus+-Projekt mit 15- bis 17-jährigen SchülerInnen sowie Schulpartnern in St. Pölten, Sofia und Bonn ging es in verschiedenen Teilprojekten um die kreative Umsetzung von erzählten Geschichten über aktives Friedenshandeln. Dabei sollten Jugendliche zweier Klassen der HLW St. Pölten mit Unterstützung des Injoest in einem halbjährigen Forschungsprozess anhand historischer Biografien das Handeln von Menschen untersuchen, die in Krisenzeiten mit Mut und Zuversicht Jüdinnen und Juden gerettet haben. Die Erkenntnisse aus den Biografierecherchen wurden laufend dokumentiert und werden in weiterer Folge künstlerisch gestaltet sowieabschließend präsentiert.

Informationen: |mail: Dr. Wolfgang Gasser|

Weitere Informationen auf der Website der |HLW St. Pölten|.

 

Sag mir, wo die Juden sind

Zum Beispiel: St. Pölten. Migration und Gegenwart, Vertreibung und Gedächtnis
Sparkling Science Projekt (20112012)

Das Projekt verband historische Forschung zur jüdischen Geschichte Österreichs mit dem regionalen Schwerpunkt St. Pölten (Heimatstadt der beteiligten Schüler/innen) mit dem hoch aktuellen Thema der Migration. Die wissenschaftliche Arbeit bestand aus drei thematisch und methodisch verschränkten Teilprojekten mit folgenden Zielen: Vertiefung des Wissens über die jüdische Migrations- und Vertreibungsgeschichte St. Pöltens; Entwicklung und Überprüfung von allgemein gültigen Parametern gelungener und gescheiterter Migration; Bewusstmachung und Analyse eigener und anderer Migrationserfahrung und Erforschung des Erkenntnisprozesses selbst.

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Das erste Teilprojekt erhob im Rahmen einer anonymen Umfrage an den 6. und 7. Klassen der Partnerschulen (ca. 200 Schüler/innen) die Verankerung der Geschichte der jüdischen Gemeinde St. Pölten im kollektiven Gedächtnis von Jugendlichen sowie deren Haltungen zu Migration, Integration und Ausgrenzung. Im zweiten Teilprojekt werteten drei Klassen (ca. 90 Schüler/innen) unedierte jüdische Lebenserinnerungen aus Österreich nach Methoden der modernen Migrationsforschung aus und verglichen die meist freiwillige Migration des 19. und 20. Jahrhunderts mit der Zwangsemigration nach dem „Anschluss“ 1938. Dabei war auch der Erkenntnisprozess der Schüler/innen selbst Gegenstand der Untersuchung. Das dritte Teilprojekt (Publikation) erforschte die „Jüdische Migration in den ländlichen Raum Österreichs 1848–1921“ und arbeitete die Ergebnisse der Schüler/innen ein.

In Einführungsworkshops erhielten die Schüler/innen Informationen zu Methoden und Praxis historischer und sozialwissenschaftlicher Forschung, zur Analyse von autobiographischen Texten und zur jüdischen Religion und Kultur. Die Exkursion „Spurensuche Jüdisches St. Pölten“ verankerte die Theorien an konkreten Orten der Stadt. Als kreatives Nebenprodukt wurde dazu ein Film gemacht, der auch historisches Filmmaterial verwendet.

Präsentation der Ergebnisse auf den Homepages des |BG/BRG Josefstraße| des |BRG/BORG Schulring|

Projektleiterin: |mail: PD Dr. Martha Keil|
Mitarbeiter/innen: |mail: Dr. Wolfgang Gasser| und |mail: Mag. Iris Palenik|

Kooperationspartner:
|BG/BRG St. Pölten, Josefstraße|
|BRG/BORG St. Pölten, Schulring|
|Niederösterreichisches Landesarchiv|
ORF, Historisches Archiv

Gefördert aus Mitteln des |BMWF–Sparkling Science|


Publikation

Wolfgang Gasser, Aneignung und Entfremdung von Geschichte(n). Erkenntnisse aus dem Projekt „Sag mir, wo die Juden sind“, am Beispiel St. Pöltens. In: Medaon. Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung 12/2013, S. 1–16 |Download|

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SchülerInnen bei der Projektarbeit

Von Silberhändlern und Münzjuden

Juden und die Wiener Münze im Kontext der landesfürstlichen Münzpolitik in der Frühen Neuzeit.

Welche Bedeutung jüdische Silberhändler für die Wiener Münze hatten, erhellt sich aus der Tatsache, dass unter den ersten Juden, die nach der Wiener Gesera von 1420/21 in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Österreich unter der Enns angesiedelt und mit Privilegien ausgestattet wurden, einige Silberlieferanten waren, die bereits für die Münzstätte arbeiteten.

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In der Folge konnten sich regelmäßige Handelsverbindungen zwischen jüdischen Händlern und der kaiserlichen Münzstätte in Wien jedoch nur langsam intensivieren. Gründe waren sowohl die antijüdische Politik der niederösterreichischen Landstände, die gegen die Ansiedlung von Juden opponierten, als auch Probleme innerhalb des Münzwesens, das mit der illegalen Ausfuhr von Geld, ein Delikt, das man insbesondere jüdischen Kaufleuten vorwarf, zu kämpfen hatte. Neben den Steuer- und Kreditforderungen, die ab dem 17. Jahrhundert immer öfter an die jüdische Gemeinde herangetragen wurden, kam die Judenschaft auch immer öfter in das Visier des Münzmeisters. Ob man einzelnen Juden vorwarf, illegal Geld zu prägen, oder Schmuckstücke konfiszierte, die an der Münze geschätzt wurden, die Juden wurden als Konkurrent im Geld- und Edelmetallgeschäft durchaus wahrgenommen.

Das Geschäft an der Wiener Münzstätte erlebte durch den Krieg und die Finanznot des Kaisers einen regelrechten „Boom“. Da für die Bezahlung der Truppen zu wenig gemünztes Geld vorhanden war, wurde der Edelmetallgehalt des Geldes bei gleichbleibendem Nominalwert gesenkt, was die Geldmenge erhöhte und den Gewinn der Münzproduzenten erheblich steigerte. Folge davon war eine rasante Inflation. Ab 1619 wurden in böhmischen und mährischen Münzstätten minderwertige Münzen, sogenannte „Kippermünzen“, geprägt, ab 1621 auch an den kaiserlichen Münzstätten. Zur kurzfristigen Geldbeschaffung, die von der Münzproduktion unabhängig sein sollte, wurden die Münzstätten auch an private Unternehmer, darunter auch Juden, verpachtet.

Bereits 1623 wurde das Ausprägen von minderwertigem Geld durch die „Münzcalada“ Ferdinands II. beendet und den Wiener Juden unter Androhung des Verlusts aller ihrer Privilegien der Silber- und Pagamenthandel sowie die Verschmelzung und Ausführung von Münzen verboten. Die zuvor geprägten minderwertigen Münzen wurden eingezogen, eingeschmolzen und in hochwertige Münzen umgeprägt.

Mit der Münzcalada war die Tätigkeit von Juden an den kaiserlichen Münzstätten nicht beendet. Nachdem bereits 1633 die Einsetzung des Wiener Hofjuden Leb Pollack als Goldscheider bei der Wiener Münze diskutiert worden war, konnte schließlich wenig später Salomon Wechsler dort nicht nur als Pagament- und Edelmetalllieferant, sondern auch als Scheider tätig werden. Ab den 1640er Jahren waren Juden, die sogar den Titel eines „kaiserlichen befreiten Münzlieferanten“ führten, aber auch Hofjuden, so z. B. Jakob Prager und Jakob Levi del Banco, an der kaiserlichen Münze beschäftigt. Obwohl eine Pacht der Münze durch jüdische Konsortien nicht mehr möglich war und auch das Verbot des illegalen Einschmelzens und der Münz- und Pagamentausfuhr immer wieder – unter dem Verdacht, Juden würden sich als „Winkelscheider“ und Geldaufwechsler betätigen – erneuert wurde, blieben Juden weiterhin als Edelmetalllieferanten wirtschaftlich mit der Münzstätte verbunden und versorgten als Pagamenthändler die Wiener Münze mit Silber.

Dies änderte sich, nachdem sich Kaiser Leopold I. 1669 für die Ausweisung aller Juden aus Wien und Niederösterreich entschieden hatte. Offensichtlich hatten die Wiener Juden jedoch im Pagamenthandel eine so zentrale Rolle inne, dass die Silberlieferungen an die Wiener Münze nach der Vertreibung vollständig zusammenbrachen. Die Situation an der Münzstätte war, wie zahlreiche Klagen der Münzbeamten nahe legen, dramatisch geworden. Trotz verschiedener Initiativen, jüdische oder auch nichtjüdische Silberhändler als Zulieferer der Münzstätte zu gewinnen, verbesserte sich die Lage nicht.

Bald darauf änderten sich jedoch die Rahmenbedingungen. Mit den ersten Hofjuden waren wieder – wenn auch zunächst nur einzelne – Juden in der kaiserlichen Residenzstadt ansässig geworden. Zögerlich wurde auch wieder auf jüdische Münzlieferanten zurückgegriffen. 1681 wurde dazu Marx Schlesinger bestellt, dem sein Sohn Benjamin Wolf Schlesinger folgte. In den 1690er Jahren ist ein Pressburger Jude als Silberlieferant für die Münzstätte belegt. Im frühen 18. Jahrhundert waren wiederum zahlreiche Hofjuden im Pagamenthandel für die Wiener Münze beschäftigt. Wie bereits im 16. Jahrhundert stand die Niederlassung von Juden in der Residenzstadt wieder im Zusammenhang mit der Beteiligung der Juden an der Münzstätte. Doch erst im Laufe der 1720er Jahre wurden schließlich, damit das Münzwesen wegen Silbermangels keinen weiteren Schaden erleide, eigene so genannte „Münzjuden“ in Wien geduldet.

Die Funktion von Juden als Silberlieferanten der kaiserlichen Münze hatte also nicht ersetzt werden können. Die Gründe dafür zeigen sich besonders deutlich in der Zeit nach der Ausweisung von 1670: Der Silberhandel erforderte ein dichtes Netz an Handelskontakten zu Regionen, von wo Edelmetall eingeführt werden konnte. Da Silber vor allem aus dem Osmanischen Reich importiert wurde, gab es nur wenig Konkurrenz für jüdische Kaufleute. Sie verfügten nämlich, nicht zuletzt in Folge der Ausweisung, als viele Wiener Juden im osmanischen Teil Ungarns Aufnahme fanden, über zahlreiche Handelskontakte dorthin.

Projektleiter: |mail: Univ.-Prof. Dr. Thomas Winkelbauer| (Universität Wien)
Bearbeiterin: |mail: Dr. Barbara Staudinger|

Gefördert vom |Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank|

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Niederösterreichische Städteforschung

Die jüdische Gemeinde Wiener Neustadt im Spätmittelalter
Wiener Neustadt beherbergte neben Wien und Krems eine der drei bedeutendsten jüdischen Gemeinden des mittelalterlichen Österreich. Nach der Vertreibung und Ermordung der Wiener Juden 1420/21 wurde sie zum Zentrum des österreichischen Judentums. Mit der Familie des Schalom von Neustadt und seines Verwandten Rabbi Isserlein bar Petachja wirkte dort eine Gelehrtendynastie, deren religiöse Kommentare und Rechtsentscheide bis heute rezipiert werden.

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Nachdem Kaiser Friedrich III. (1439–1493) die Stadt zu seiner Residenz gewählt hatte, rückten die Juden in ein Naheverhältnis zu ihm, zogen dadurch aber den Neid mancher Christen auf sich. Doch der kaiserliche Schutz, getragen durch seine „allzeit getreuen“ Bürger, war derart wirksam, daß es in der Stadt nie zu Verfolgungen kam. Auch die Vertreibung der Juden aus der Steiermark, zu dessen Territorium Wiener Neustadt gehörte, verlief unblutig und relativ gerecht. Die Juden konnten noch bis drei Jahre nach dem offiziellen Termin ihre Häuser und Liegenschaften an Wiener Neustädter Bürger verkaufen.

An die einstmals blühende Gemeinde erinnert nicht einmal mehr ein Straßenname. Sechs in die Stadtmauer eingelassene hebräische Grabsteine sind die einzigen Zeugen jüdischen Lebens im Mittelalter.

Informationen: |mail: Dr. Martha Keil|


Publikationen

Martha Keil: „vormals bey der Judenn Zeitt“. Studien zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Wiener Neustadt im Spätmittelalter. Ungedr. phil. Diss. Wien 1998.

Dies., Juden in Grenzgemeinden: Wiener Neustadt und Ödenburg im Spätmittelalter. In: Martha Keil, Eleonore Lappin (Hrsg.), Studien zur Geschichte der Juden in Österreich, Bd. 2. Bodenheim/Mainz 1997, S. 9–34.

Dies., Der Liber Judeorum von Wr. Neustadt (1453–1500) – Edition. In: Martha Keil, Klaus Lohrmann (Hrsg.), Studien zur Geschichte der Juden in Österreich, Bd. 1. Wien-Köln 1994, S. 41–99.


Kehila Keduscha (Heilige Gemeinde) Neunkirchen (um 1850 bis heute)

Ausgehend von einer mikrohistorischen Analyse wird die Geschichte der kleinen jüdischen Gemeinde Neunkirchen von ihrer Gründung im 19. Jahrhundert bis zu ihrer Vernichtung im Jahr 1938 in einen zeitgeschichtlichen Gesamtzusammenhang gestellt. Das Schicksal dieser Gemeinde spiegelt sowohl die kaiserliche Politik gegenüber den Juden als auch den Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts wider. Der Holocaust war keine plötzliche, von außen hereingetragene Katastrophe. Wie die Studie zeigt, gingen ihm Entwicklungen voran, welche schon lange vor dem „Anschluß“ eine Stimmung schufen, in der später die Vertreibung und Vernichtung der Neunkirchner Juden möglich wurde. Das Zusammenleben der Juden mit ihrer nichtjüdischen Umwelt stand von Anfang an im Spannungsfeld von Akzeptanz und Ablehnung.

Ein eigenes Kapitel ist den Lagern der ungarischen Juden gewidmet, die in Neunkirchen 1944–1945 Zwangsarbeiten beim Bau von Bunkern am Hauptplatz leisten mußten.

Breiten Raum nehmen Lebenserinnerungen von ehemaligen Neunkirchnern ein. Damit wird ein sehr persönliches Bild jüdischen Lebens an diesem Ort gezeichnet.

Informationen: |mail: Injoest|

Wir danken der Stadt Neunkirchen für die freundliche Unterstützung


Publikationen

Gerhard Milchram, Heilige Gemeinde Neunkirchen. Eine jüdische Heimatgeschichte. Verlag Mandelbaum, Wien 2000.

Ders., Die Entwicklung der Jüdischen Gemeinde in Neunkirchen/NÖ im 19. und 20. Jahrhundert. In: Martha Keil, Eleonore Lappin (Hrsg.), Studien zur Geschichte der Juden in Österreich, Bd 2. Bodenheim/Mainz 1997, S. 123–140.

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Nach dem Toleranzpatent: Galizische Juden 1790–1848

Das vorliegende Projekt ist die Fortsetzung des abgeschlossenen FWF-Projekts |Vom Kahal zur Israelitischen Kultusgemeinde: Galizische Juden 1772–1790|. Am Anfang dieser Übergangszeit standen 64 miteinander assoziierte galizische Kahalim mit weitreichenden politischen und fiskalischen Befugnissen. An ihrem Ende waren es 141 vereinzelte, nur für kultische Angelegenheiten zuständige Judengemeinden. Anhand der Akten der Lemberger und Wiener Behörden sowie der galizischen IKG wird dieses Forschungsprojekt die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Toleranzpatents erforschen, und zwar sowohl für gesamte Gemeinden als auch für einzelne Individuen.

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Mehrere galizische Kahalim waren bereits während der Übergangsphase 1772–1790 stark verschuldet. Außerdem häuften sie während der theresianisch-josephinischen Epoche neue Steuerschulden, da zu Beginn der österreichischen Herrschaft in Galizien zahlreiche spezifisch jüdische Abgaben eingeführt. wurden: der Domestical-Beitrag, die Lichtzündsteuer, der Koscherfleischaufschlag sowie die Kameral-, Minjanim- und Heiratstaxen. Daraus ergab sich eine enorme finanzielle und soziale Belastung der jüdischen Bevölkerung, von der mehr als drei Viertel ohnehin der untersten Steuerklasse angehörten.

Es ist des weiteren zu fragen, wie sich die Dezentralisierung, ja Atomisierung des galizischen jüdischen Gemeindewesens auf die Verbreitung der Haskalah und des Chassidismus auswirkte. Während die zumindest anfänglich vom aufgeklärten Absolutismus unterstützten Maskilim an die Spitze solcher „urbanen“ Gemeinden wie Lemberg, Brody und Tarnopol kamen, waren in den meisten kleineren Judengemeinden des Landes die Chassidim nicht nur zahlenmäßig sondern auch in den Gemeindevorständen dominierend. Sie bildeten veritable Oligarchien, deren Netzwerke und soziale Interaktionen zu analysieren sind.
Im engen Zusammenhang mit der Verbreitung der Haskalah und der Politik des aufgeklärten Absolutismus stand das von Herz Homberg geleitete deutsch-jüdische Schulwesen. Die erste dieser insgesamt 107 Schulen und Schulklassen wurde in Galizien 1787 gegründet, die Blütezeit dieses Schulwesens war jedoch erst nach 1790. Der Archivbestand der Lemberger IKG enthält Akten aus mehreren Gemeinden über die Finanzierung der Schulen, den Bau und die Renovierung der Schulgebäude, die Entlohnung der Lehrkräfte sowie ausführliche Schülerlisten. Außer den Schulen selbst liegt das Augenmerk vor allem auf ihren Schülern – einer anders als bis dahin ausgebildeten jüdischen Generation. Sie wurde zu den wichtigen jüdischen Akteuren während der Ereignisse des Jahres 1848 im Kronland.

Mit einem jüdischen Bild des Revolutionsjahres in Galizien, welches eine Epoche des Übergangs von der Toleranz zur bürgerlichen Gleichberechtigung eröffnete, wird dieses Projekt abgeschlossen.

Sachbearbeiter: |mail: Dr. Svjatoslav Pacholkiv|
Finanziert durch den |FWF|, Projekt P 23066.

Publikationen

Svjatoslav Pacholkiv, Die Politik des aufgeklärten Absolutismus und die Judengemeinden Galiziens. In: Frühneuzeit-Info 22/1-2 (2011), S. 75–89.

Ders., Gminy żydowskie w Galicji w ll. 1772–1848. Zagadnienia badawcze. [Jewish Communities in Galicia 1772-1848. The Research Issues]. In: Galicja 1772–1918. Problemy metodologiczne, stan i potrzeby badań [Galicia 1772–1918. The Methodological Problems, State of Research and Research Needs], Bd. 1–3, ed. Agnieszka Kawalec et al. (Rzeszów 2011) Bd. 2, S. 9–26.

Ders., Українсько-єврейське співжиття в Галичині й конструювання національного [The Ukrainian-Jewish Coexistence in Galicia and the Construction of the National]. In: Україна. Процеси націотворення [Ukraine. Processes of Nation-Building]. Упорядник Андреас Каппелер (Київ 2011), S. 213–225.

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Galizisches Toleranzpatent, 7. 5. 1789

Ungarisch-jüdische ZwangsarbeiterInnen in Österreich 1944/45

Zwangsarbeit, Todesmärsche und Aufarbeitung durch die Zweite Republik.

Nach der Okkupation Ungarns durch die deutsche Wehrmacht im März 1944 wurden etwa 60.000 ungarische Juden zur Zwangsarbeit in das Gebiet des heutigen Österreich erschleppt. Ein Teil der Deportierten wurde weiter in Konzentrationslager im Deutschen Reich verbracht, Zehntausende verblieben in Österreich, wo sie zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden.

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Dieses Projekt befasste sich mit jenen ungarischen Juden und Jüdinnen, die nicht hinter KZ-Mauern, sondern in Betrieben und auf Bauernhöfen oder beim Bau des so genannten „Südostwalls“ entlang der ungarisch-österreichischen Grenze arbeiten mussten. Die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen, unter denen sie litten, blieben der österreichischen Zivilbevölkerung nicht verborgen. Die Reaktionen auf dieses Leid waren unterschiedlich, von Apathie und verbalen Angriffen bis hin zu Hilfeleistungen.

Im Frühjahr 1945 wurden die jüdischen ZwangsarbeiterInnen in Todesmärschen durch Wien, Niederösterreich, das Burgenland, die Steiermark und Oberösterreich in die KZ Mauthausen und Gunskirchen getrieben. Die Wachmannschaften erhielten den Befehl, Flüchtende, Schwache und Kranke zu erschießen. Es kam aber auch zu Massakern durch SA, SS, Volkssturm und Gendarmen. Viele dieser Verbrechen wurden ebenfalls vor den Augen der Zivilbevölkerung verübt.

Nach dem Krieg führten sowohl österreichische Volksgerichte als auch 1946/47 britische Militärgerichte in der Steiermark Strafprozesse wegen dieser Gewaltverbrechen durch. Das Interesse an der Bestrafung von NS-Verbrechen nahm bereits Ende der 1940er Jahre merklich ab. Dennoch kam es zu einer erheblichen Zahl von Verurteilungen mit teilweise strengem Strafausmaß. Allerdings kamen viele der Täter in den 1950er Jahren in den Genuss von Amnestien. Die Verbrechen ebenso wie deren justizielle Ahndung fielen bald dem Vergessen anheim.

Die Republik Österreich übernahm lange Zeit keine Verantwortung für die Gräber der zehntausenden in Österreich ermordeten ungarischen Juden. Gedenktafeln und Mahnmale sind spärlich und gehen in der Regel auf Initiativen privater Organisationen zurück. Dennoch sind diese Aktionen, die Mitte der 1960er Jahre begannen und vor allem in den 80er Jahren neue Dynamik erhielten, deutliche Zeichen für ein verbessertes Verhältnis zwischen der jüdischen und der nichtjüdischen Bevölkerung in Österreich.

Bearbeiterin: Dr. Eleonore Lappin-Eppel
Informationen: |mail: Injoest|

Kooperationspartner: |Verein zur Erforschung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen und ihrer Aufarbeitung|

Wir danken dem |Fonds zur Förderung wissenschaftlicher Forschung| und dem Jubiläumsfonds der österreichischen Nationalbank für die Unterstützung

Siehe dazu auch das |Projekt Mahnmal Viehofen|.

|Grabstätte der Opfer des Massakers von Hofamt Priel im Mai 1945|

Publikationen
Eleonore Lappin-Eppel, Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45: Arbeitseinsatz – Todesmärsche – Folgen (Forschung und Wissenschaft – Geschichte, Bd. 3). Münster – Berlin – Wien 2010

Eleonore Lappin-Eppel, Das Massaker von Rechnitz im historischen Kontext. In: Gregor Holzinger, Jakob Perschy, Dieter Szorger (Red.), Das Drama Südostwall am Beispiel Rechnitz. Daten, Fakten, Folgen (Burgenländisches Landesarchiv (Hg.), Burgenländische Forschungen Bd. 98), Eisenstadt 2009, S. 11–19.

Dies., Sonderlager für ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter. In: Wolfgang Benz und Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 9, Arbeitserziehungslager, Ghettos, Jugendschutzlager, Polizeihaftlager, Sonderlager, Zigeunerlager, Zwangsarbeiterlager, München 2009, S. 218-247.

Eleonore Lappin, Tarnname „Linz“. |Download|

Dies., Perceptions of Suffering and Survival in Testimonies of Hungarian Jewish Slave Labourers in Austria (1944/45). In: Johannes Dieter Steinert, Inge Weber-Newth (Ed.), Beyond Camps and Forced Labour – 60 Years On. Current International Research on Survivors of Nazi Persecution. London 2008, S. 283–294.

Dies., Zwangsarbeit ungarischer Juden in Österreich 1944/45 und die Todesmärsche im Frühjahr 1945. In: David 76 (2008), S. 54–62.

Dies., Strukturen der Verantwortung. Volksgerichtsverfahren wegen Verbrechen gegen ungarische Juden in österreichischen Zwangsarbeitslagern des Sondereinsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD in Ungarn, Außenkommando Wien. In: Zeitgeschichte 6 (2007), S. 351–371.

Dies., Gräber ohne Namen. Grabstätten ungarischer Jüdinnen und Juden in Niederösterreich. In: Martha Keil, Elke Forisch, Ernst Scheiber (Hg.), Denkmale. Jüdische Friedhöfe in Wien, Niederösterreich und Burgenland, Wien 2006, S. 134–141.

Dies., Ungarische Juden in Niederösterreich 1944/45. In: Eleonore Lappin, Susanne Uslu-Pauer und Manfred Wieninger, Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Niederösterreich 1944/45 (= Studien und Forschungen aus dem niederösterreichischen Institut für Landeskunde Band 45, herausgegeben von Willibald Rosner und Reinelde Motz-Linhart), St. Pölten 2006, S. 11-102. Darin die Artikel: Das Massaker von Hofamt Priel, S. 103–132.Die Opfer von Hofamt Priel - Namen, Tagebücher und autobiographische Berichte (Edition), S. 133–173.

Dies., Ungarische Jüdinnen und Juden in Theresienstadt. Das Schicksal „privilegierter“ jüdischer Arbeitssklav/innen. In: Jaroslava Milotová, Michael Wögerbauer, Theresienstädter Studien und Dokumente 2005, S. 150–165.

Dies., Mad'arsti Zide v Terezine. Osud „privilagovanych“ pracovnich otrokú. In: Jaroslava Milotová (Hg.), Terezínské Studie a Dokumenty 2005, S. 136–150.

Dies., Zwangsarbeiter/innen und Helfer/innen in Gmünd und Weitra. In: Christian Gmeiner, Eleonore Lappin (Hg.), Shatil. Intervention in die Erinnerungskultur des Waldviertels. Ehrungen von Lebensrettern/innen aus dem Jahr 1945, 17 S.

Dies., Der Todesmarsch ungarischer Jüdinnen und Juden von Ungarn nach Mauthausen im zeitgeschichtlichen Kontext. In: Heimo Halbrainer, Christian Ehetreiber (Hg.), Todesmarsch Eisenstraße 1945. Terror, Handlungsspielräume, Erinnerung: Menschliches Handeln unter Zwangsbedingungen, Graz 2005, S. 59–94.

Dies., Die Todesmärsche ungarischer Juden durch Österreich im Frühjahr 1945. |Download|

Dies., Todesmärsche durch den Gau Oberdonau. In: Siegfried Haider und Gerhard Marckhgott (Red.), Oberösterreichische Gedenkstätten für KZ-Opfer, Linz 2001, S. 77–92.

Dies., Die Todesmärsche ungarischer Juden nach Mauthausen und Gunskirchen. In: |Mauthausen Memorial|

Dies., Die Ahndung von NS-Gewaltverbrechen im Zuge der Todesmärsche ungarischer Juden durch die Steiermark. In: Winfried Garscha, Claudia Kuretsidis (Hrsg.), Keine Abrechnung. Wien 1998, S. 32–53.

Dies., Opfer als Zeugen in Gerichtsverfahren wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen: Ein unterbliebener Opfer-Täter-Diskurs. In: Gertraud Diendorfer/Gerhard Jagschitz/Oliver Rathkolb (Hrsg.), Zeitgeschichte im Wandel. 3. Österreichische Zeitgeschichtetage 1997, Innsbruck, Wien, 1998, S. 330–336.

Dies., Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter in Österreich 1944/45. In: Martha Keil, Eleonore Lappin (Hrsg.), Studien zur Geschichte der Juden in Österreich, Bd. 2. Bodenheim/Mainz 1997, S. 141–168.

Dies., Prozesse der britischen Militärgerichte wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen an ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern in der Steiermark. In: Rudolf G. Ardelt, Christian Gerbel (Hrsg.), Österreichischer Zeitgeschichtetag 1995, Innsbruck-Wien 1997, S. 345–350.

Dies., Der Weg ungarischer Juden nach Theresienstadt. In: Theresienstädter Studien und Dokumente 1996, S. 52–81.

Dies., Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter in Wien 1944/45. In: Martha Keil, Klaus Lohrmann (Hrsg.), Studien zur Geschichte der Juden in Österreich, Bd. 1. Wien-Köln 1994, S. 140–165.

Dies., Rechnitz gedenkt der Opfer der NS-Herrschaft. In: Jahrbuch des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (1992), S. 50–70.

Günther Burczik, „Nur net dran rührn!“ Auf den Spuren der Todesmärsche ungarischer Juden durch Österreich nach Mauthausen im April 1945. Martha Keil, Eleonore Lappin (Hrsg.), Studien zur Geschichte der Juden in Österreich, Bd. 2. Philo-Verlag, Bodenheim/Mainz 1997, S. 169–204.

Benedikt Friedmann, Iwan, hau' die Juden! Die Todesmärsche ungarischer Juden durch Österreich nach Mauthausen im Frühjahr 1945. Hrsg. vom Institut für Geschichte der Juden in Österreich. Augenzeugen berichten, Heft 1, St. Pölten 1989.

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Gedenktafel am Haus 15, Hackengasse 11, ehemaliges Wohnlager für ungarisch-jüdische ZwangsarbeiterInnen

Unsere vertriebenen Nachbarn (Top Citizen Science Projekt)

Juden im niederösterreichischen Zentralraum – Forschung und Erinnerungskultur 

Anhand von privaten Fotos, Dokumenten und Erinnerungen erforschten die teilnehmenden Citizen Scientists das Leben und Schicksal der jüdischen Bevölkerung Niederösterreichs vor, während und nach der NS-Zeit.

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1910 erfasste die Volkszählung in St. Pölten und im Zentralraum Niederösterreich, dem Ein­zugsgebiet der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) St. Pölten, 921 Menschen, die sich als Ju­den bekannten. Von den Nationalsozialisten wurden allerdings auch Personen anderer oder kei­ner Religionszugehörigkeit mit drei jüdischen Großeltern als „jüdisch“ kategorisiert. Sie alle mussten bis Juni 1940 von St. Pölten nach Wien zwangsübersiedeln. Nach den neuesten For­schungsergebnissen wurden 575 Menschen in den Lagern und Ghettos ermordet.

Dieses Projekt lud alle Interessierten ein, anhand von privaten Fotos, Dokumenten und Erinne­rungen das Leben und Schicksal der jüdischen Bevölkerung im Zentralraum Niederösterreich vor, während und nach der NS-Zeit zu erforschen. Die Arbeitsorganisation gliederte sich in zwei öffentliche Veranstaltungen zu Beginn und am Ende sowie sechs offene Workshops. Ins­gesamt nahmen etwa 70 Personen im Alter von 17 bis 83 Jahren teil, darunter auch Nach­kommen jüdischer Familien. Alle Veranstaltungen fanden im katholischen Bildungshaus St. Hippolyt in St. Pölten statt, das mit seinem weiten Einzugsgebiet und seiner breiten Ausrichtung unterschiedliche Zielgruppen erschließen und ansprechen konnte.

Die wissenschaftlichen Ergebnisse des Projekts lassen sich in zwei grobe Bereiche einteilen: Einerseits brachten die Teilnehmer/innen Bestände aus ihren Familienarchiven mit, die in ei­nem ersten Schritt identifiziert und digitalisiert wurden, um sie für eine spätere Auswertung zu sichern. Andererseits brachten einige Teilnehmer/innen bereits teilweise erschlossene Bestände mit, deren Reichhaltigkeit und gute Vorbereitung eine intensive Recherche ermöglichte. Be­sonders ertragreich waren der umfangreiche Nachlass einer Familie mit jüdischen Mitgliedern, der auch Sammelgegenstände aus der NS-Zeit enthielt, und das Familienarchiv einer jüdischen Familie aus Wilhelmsburg. Die Beiträge und Ergebnisse wurden bei der Schlussveranstaltung am 9. 11. 2017 im Bildungshaus St. Hippolyt präsentiert und werden unter Wahrung des Da­tenschutzes online gestellt.

In den intensiven Diskussionen der Workshops wurde klar, dass noch immer, 80 Jahre nach dem „Anschluss“, je nach Familiengeschichte nicht ohne Belastung und Unsicherheit über die NS-Zeit gesprochen werden kann. Dieser Befund ist im Rahmen der Frage nach Gedächtnis, Erinnerung und Umgang mit der NS-Vergangenheit eine wertvolle Erkenntnis. Das Enga­gement der Projektteilnehmer/innen gab den endgültigen Impuls, ab Oktober 2018 für die Opfer der Shoah an deren letzten Wohnadressen in St. Pölten „Steine der Erinnerung“ zu setzen.

Citizen Science Award 2017 für engagierte Forscher/innen

Im Rahmen von acht ausgewählten Citizen Science-Projekten, darunter „Unsere vertriebenen Nachbarn“, lud das BMWFW 2017 interessierte Bürgerinnen und Bürger zum Mitforschen ein. Die engagiertesten Citizen Scientists wurden am 21. November 2017 im Rahmen einer Festveranstaltung an der Universität Wien ausgezeichnet und erhielten Buch- und Sachpreise. Die Auswahl der drei Preisträger/innen erfolgte im Sommer durch das Wissenschaftsteam des Injoest. Kriterien waren Beitrag zu den Forschungszielen des Projekts und Engagement bei eigenständigen Recherchen.

Informationen zum Award und den Projekten: |Zentrum für Citizen Science|

 

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Faschingsumzug vor dem Haus von Alexander Fürchtgott, Prinzersdorf 1, ca. 1925 (Injoest)

„Zuständig nach unbekannt, heimatlos.“ Das Schicksal der 1938-1945 aus Österreich vertriebenen „Ostjuden“

Noch in der Monarchie versuchte die zunehmend nationalistisch und antisemitisch agierende Bürokratie österreichischen Jüdinnen und Juden den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft möglichst zu erschweren. In besonderem Maße traf dies die jüdischen Bewohner*innen aus Galizien und der Bukowina, die spätestens mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Feindbild gesehen wurden. Obwohl sie alle Kriterien erfüllt hätten, wurden sie in der Ersten Republik ausgeschlossen, ihnen wurde mit der Verfassung von 1921 die österreichische Staatsbürgerschaft explizit verweigert, womit viele in die Staatenlosigkeit rutschten. Im Vorgängerprojekt „Fluchterfahrung von Vorteil?“ wurde die Gruppe auf Grund der Geburtsbücher der IKG Wien eindeutig identifiziert. Die Forschung ergab, dass sie in wesentlich geringerem Maße der NS-Mordmaschinerie ausgesetzt waren, weil sie sich durch Flucht entziehen konnten. Die Arbeitshypothese war daher, dass österreichische „Ostjüdinnen“ und „Ostjuden“ als Staatenlose mehrheitlich nach Shanghai geflohen sein könnten, weil dort keine bürokratischen Einreisebeschränkungen galten. Des Weiteren wurde überprüft, ob Netzwerke unter den Geflüchteten nachweisbar sind, die sich bereits in den Ursprungsgebieten oder durch den Aufenthalt in Wien ergeben haben.

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Resümierend ist festzuhalten, dass die Gruppe der „Ostjüdinnen und -juden“ in Shanghai zwar eine Sonderrolle einnimmt, aber nicht auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit oder eben des offiziellen Fehlens einer solchen. Die Besonderheiten ergeben sich vor allem auf Grund der selbstorganisierten Flucht in kleinen Familienverbänden, die sich rasch auf neue Gegebenheiten einstellen konnten und mussten. Im Familienverband gestaltete sich auch das Leben am Fluchtort anders, die beengten Wohnverhältnisse trafen diese Gruppe in wesentlich geringerem Ausmaß. Da Familien größere Wohneinheiten benötigen, zogen sie unmittelbar nach der Ankunft in den günstigeren Stadtteil Hongkou, der am 18. Februar 1943 zur „Designated Area“, also zum sogenannten Ghetto erklärt wurde. Die folgenden Zwangsumsiedelungen aus den anderen Teilen der Stadt und die daraus resultierende Verknappung von Wohnraum betraf diese Gruppe daher nicht. Auch bei der Lebensmittelversorgung waren Familien besser gestellt, da internationale Organisationen wie das Rote Kreuz oder das American Joint Distribution Committee einen besonderen Fokus auf Kinder legten. So wurde in der von der Shanghai Jewish Youth Association betriebene Schule in Kinchow die Schüler nicht nur (berufsorientiert) unterrichtet, sondern auch mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt. Darüber hinaus waren Schulen gemeinschaftsbildend und boten nach dem Unterricht Möglichkeiten für Sport und andere Aktivitäten, die nicht nur auf die Schüler selbst begrenzt waren.
Spätestens mit der Machtübernahme durch das kommunistische China verließen die letzten europäischen Juden Shanghai. Unter den 1.218 nach Wien repatriierten Jüdinnen und Juden zwischen Mai und August 1947 war kein einziger aus der untersuchten Gruppe – diese wanderte größtenteils in die USA aus.

Ein umfassender Artikel zum Thema wird in der zweiten Jahreshälfte 2022 erscheinen.

Projektbearbeiter: |mail: Dr. Benjamin Grilj|

Wir danken der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7), dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, dem Zukunftsfonds der Republik Österreich und dem Land Niederösterreich für die Unterstützung des Projekts!

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